Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
müßte man sie erst fangen.« »Ach ja, ein gutes Argument.« Illyan hielt inne, fischte den Netzbeutel aus dem Wasser, machte sich ein weiteres Bier auf und reichte eines an Miles weiter. Er hatte die Flasche zur Hälfte geleert, als er fragte: »Ich … weiß, wieviel die Dendarii dir bedeutet haben. Ich … freue mich, daß du überlebt hast.« Er hat nicht gesagt: Es tut mir leid, bemerkte Miles. Miles’ Desaster war eine Wunde gewesen, die er sich selbst zugefügt hatte.
»Tod, wo ist dein Stachel?« Er rüttelte an seiner Angelrute. »Haken, wo ist dein Fisch …? Nein. Selbstmord wäre für mich keine Option mehr, wie ich herausgefunden habe. Genauso wie der gute alte jugendliche Weltschmerz. Ich bin nicht mehr insgeheim der Meinung, daß der Tod mich irgendwie übersehen würde, wenn ich nicht persönlich etwas dazu tue. Und in Anbetracht des Lebens… erscheint es mir dumm, nicht aus dem, was ich habe, das meiste zu machen. Um nicht zu sagen: verflucht undankbar.« »Glaubst du … du und Quinn … wie soll ich das taktvoll ausdrücken. Glaubst du, du wirst Kapitänin Quinn überreden können, sich für Lord Vorkosigan zu interessieren?« Aha, Illyan versuchte sich dafür zu entschuldigen, daß er Miles’ Liebes—Leben vermasselt hatte, das war’s. Miles trank erneut von dem Bier und dachte ernsthaft darüber nach. »Das habe ich bisher noch nicht gekonnt. Ich will es versuchen … ich muß es noch einmal mit ihr versuchen. Aufs neue.« Wann? Wie? Wo? Es schmerzte, an Quinn zu denken. Es schmerzte immer noch, wenn er überhaupt an die Dendarii dachte. Deshalb würde er es nicht tun. Nicht viel. Mehr Bier. »Was das übrige angeht …« – er nippte und lächelte bitter –, »es gibt überzeugende Beweise dafür, daß ich zu langsam geworden bin, um noch länger ein lebendes Ziel zu spielen. In Wirklichkeit wurde bei meinen bevorzugten Missionen in letzter Zeit kaum militärische Gewalt eingesetzt.« »Du bist verdammt schlau geworden, das ist alles«, meinte Illyan und betrachtete durch das bunte Glas seiner Flasche Miles’ verzerrte Gestalt. »Allerdings braucht man selbst bei einem Manöverkrieg eine glaubhafte Streitmacht, um damit ein Manöver abhalten zu können.« »Mir hat das Siegen gefallen«, sagte Miles leise. »Das hat mir wirklich gefallen.« Illyan warf seine Flasche in die Kiste mit den übrigen leeren und beugte sich über den Bootsrand, um in das Seewasser hinabzuschielen. Er seufzte, richtete sich auf und schob wieder das Sonnensegel zurecht, dann zog er, anstelle von Fischen, erneut den Netzbeutel hoch.
Miles hielt seine erst halb geleerte Flasche hoch, um den angebotenen Nachschub abzulehnen, dann lehnte er sich zurück und beobachtete seine unbewegte weiße Angelschnur, die tief in geheime Dunkelheit hinabreichte. »Ich bin immer irgendwie damit davongekommen. Auf jede Art und Weise, wie ich gerade konnte. Ob auf dem Tisch oder darunter, ich habe gewonnen. Diese Geschichte mit den Anfällen … scheint der erste Feind zu sein, den ich nicht austricksen konnte.« Illyan zog spöttisch die Augenbrauen hoch. »Einige der besten Festungen wurden schließlich durch Verrat von innen eingenommen, heißt es.« »Ich bin besiegt worden.« Miles blies nachdenklich über den Mund seiner Flasche und machte sie summen. »Doch ich habe überlebt. Das hatte ich nicht erwartet. Ich fühle mich deswegen … sehr aus dem Gleichgewicht geworfen. Immer mußte ich siegen oder sterben. Also … in welchem Punkt hatte ich auch noch unrecht? … Ich nehme das andere Bier jetzt doch, danke.« Illyan öffnete die Flasche für ihn und reichte sie ihm. Das Seewasser war inzwischen hübsch eisig geworden, es war ausgesprochen zu spät im Jahr zum Schwimmen. Oder zum Ertrinken.
»Vielleicht«, sagte Illyan nach einer sehr langen Pause, »haben Generationen von Fischern aus dieser Population alle Fische ausgemerzt, die dumm genug sind, an Haken anzubeißen.« »Das ist möglich«, räumte Miles ein. Sein Gast, so befürchtete er, begann sich allmählich zu langweilen.
Als korrekter Gastgeber sollte er eigentlich etwas dagegen unternehmen.
»Ich glaube, da drunten gibt es überhaupt keine Fische. Das ist ein Gaunertrick, Vorkosigan.« »Nö, ich habe sie ja gesehen. Wenn ich einen Betäuber hätte, könnte ich es Ihnen beweisen.« »Du läufst heutzutage ohne Betäuber herum, mein Junge?
Nicht sehr helle.« »Heh, ich bin jetzt Kaiserlicher Auditor. Ich bekomme massige Gorillas gestellt, die meine
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