Vorkosigan 12 Viren des Vergessens

war nicht nur ansteckend, sie war heftig ansteckend.
    »Miles hat sich für unsere Vor-Damen immun erwiesen«, warf seine Tante ein, und es klang mißbilligend. Du lieber Himmel, wollte sie etwa ihre Versuche aufgeben, Ivans Ledigenstand zu ändern und statt dessen aus schierer Frustration bei ihm anfangen?
    Laisa schaute drein, als versuchte sie herauszufinden, ob Lady Alys hatte andeuten wollen, Miles bevorzuge Knaben, ohne daß sie so unhöflich war zu fragen, oder zumindest solange sie nicht wieder mit ihrer Mentorin allein war.
    »Nicht immun«, warf Miles schnell ein. »Nur bis jetzt ohne Glück. Meine früheren Reiseverpflichtungen wirkten sich auf Romanzen höchst zerrüttend aus.« Auf jeden Fall zu Hause.
    »Jetzt, wo ich auf Dauer in Vorbarr Sultana stationiert bin, wer weiß. Äh … vielleicht frage ich Delia Koudelka.« Laisa lächelte erfreut. »Ich würde sie gerne wiedersehen.« Alys goß allen Kaffee ein; Laisa beobachtete sie dabei sorgfältig. Sie machte sich keine Notizen, aber Miles war sich sicher, sie würde sich beim nächsten Mal daran erinnern, daß er seinen Kaffee schwarz trank. Alys lenkte das Gespräch für die Dauer einer Tasse auf leichtere Themen, doch dann goß sie nicht nach und stand auf, um Laisa wieder hinauszugeleiten. In die Damentoilette, um dort Miles in absentia zu sezieren? Sei nicht so nervös, alter Junge. Unter Alys’ Anleitung schien Laisa schnell Bekanntschaft mit der Damenwelt der Vor zu machen, und anders als Haroche schien sie deren Bedeutung für ihre Zukunft nicht zu unterschätzen.
    Gregor ließ Laisa nur mit offensichtlichem Widerstreben gehen. »Lady Alys«, fügte er mit nachdenklicher Miene hinzu.
    »Wenn Sie meinen, Simon würde es packen, dann bringen Sie doch Simon zu dem Mittagessen mit, das Laisa und ich mit Ihnen und Lady Vorkosigan einnehmen werden. Ich finde, mir fehlt seine Konversation.« Er fing Miles’ Blick auf und lächelte trokken.
    »Ich dachte, Simons Gespräche mit dir seien meistens Berichte gewesen«, sagte Miles.
    »Es ist ziemlich faszinierend zu entdecken, was all diese Berichte in all den Jahren verdrängt haben«, bemerkte Lady Alys.
    »Gewiß, Gregor. Ich glaube, es wird ihm gut tun.« Sie brachte Laisa hinaus. Miles folgte kurz darauf.
    Miles setzte seine selbstauferlegte Inspektion des KBS-Hauptquartiers dort fort, wo er sie unterbrochen hatte. Persönlich hätte er einen zielgenauen Stoß mit dem Rapier dieser brutalen Holzhammermethode von Datenerhebung vorgezogen, aber wenn man, verdammt noch mal, nicht wußte, wonach man suchte, dann mußte man eben alles anschauen. Die Abteilung Kryptographie erwies sich als kryptisch; ihre offene Kooperation wurde zu einer listig fachmännischen Erklärung ihrer Tätigkeit, bei der er sich nach der dritten Wendung verloren vorkam. Wenn man sie nicht mit Mut beeindrucken kann, dann halte man sie mit Pferdeschei ße auf. Miles lächelte unverwandt und nahm sich vor, diese Abteilung später noch einmal zu überprüfen. Die Finanzabteilung schien sich schlicht und einfach zu freuen, daß sich jemand mit ihr beschäftigte, und drohte ohne Ende weiterzuerzählen. Miles riß sich von den Kontentabellen los und floh.
    Hausmeisterei und Gebäudetechnik erwiesen sich als wider Erwarten faszinierend. Miles hatte gewußt, daß das HQ-Gebäude hoch gesichert war, aber ihm war nicht bewußt gewesen, wie man das im Detail erreicht hatte. Jetzt erfuhr er, wo all die stahlverstärkten Wände und Böden waren und wie viele Gedanken man sich allein über Fragen der Explosionseindämmung, der Luftzirkulation und –filtrierung und der Wasserreinigung gemacht hatte.
    Sein Respekt für den verstorbenen verrückten Architekten des Bauwerks nahm um eine Stufe zu. Das Gebäude war nicht nur von einem Paranoiker entworfen worden, es war gut entworfen worden. Jeder Raum verfügte über sein eigenes Filtersystem von der Qualität eines Biolabors, und das zusätzlich zu der Zentraleinheit, die die gesamte zurückströmende Luft filterte und sterilisierte, um mögliche Giftgase oder Mikroben zu vernichten, bevor sie rezirkuliert oder ventiliert wurden. Die entstehende Wärme wurde auch verwendet, um Wasser zu destillieren, was dessen eigenartig faden Geschmack erklärte. Miles hatte Raumschiffe mit weniger strengen Systemen erlebt. Hier würden sich keine Erkältungen unter dem Personal verbreiten.
    Das Personal der Hausmeisterei bestand gänzlich aus aktiven Soldaten, Veteranen mit mindestens zehn Jahren Dienstzeit.