Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
Miles’ barrayaranischem Leibwächter gewesen, im Haushalt des Grafen Vorkosigan aufgewachsen und praktisch Miles’ Pflegeschwester. Aufgrund ihres Geschlechts vom barrayaranischen Militärdienst ausgeschlossen, hatte sie sich auf ihrer ins Militär vernarrten Heimatwelt nach dem Status eines Soldaten gesehnt. Miles hatte einen Weg gefunden, wie sie ihren Traum verwirklichen konnte. Schlank und fast so groß wie ihr Ehemann, sah sie jetzt in ihrer schneidigen grauen Dendarii-Uniform durch und durch soldatisch aus. Ihr dunkles Haar, um die Ohren zu dünnen Büscheln geschnitten, umrahmte ein blasses Falkengesicht und hellwache dunkle Augen.
Wie anders wäre ihrer beider Leben verlaufen, wenn sie nur damals, als sie beide achtzehn waren, auf Miles’ leidenschaftlichen, wirren Heiratsantrag mit ›ja‹ geantwortet hätte? Wo wären sie dann heute? Würden sie das bequeme Leben von Vor— Aristokraten in der Hauptstadt führen? Wären sie glücklich? Oder würden sie einander zunehmend langweilen und ihren verlorenen Möglichkeiten nachtrauern? Nein, sie würden nicht einmal wissen, welche Möglichkeiten sie verloren hätten. Vielleicht hätten sie schon Kinder … Miles schnitt den Gedankengang ab. Es war nutzlos.
Doch irgendwo, verschwiegen tief in Miles’ Herz, wartete irgend etwas immer noch. Elena schien mit der Wahl ihres Ehemanns ziemlich glücklich zu sein. Aber das Leben eines Söldners war – wie er selbst erst kürzlich erfahren hatte – wirklich unsicher. Eine kleine Abweichung eines zielenden Feindes, irgendwo im Einsatz, hätte sie zu einer trauernden Witwe machen können, die auf Trost wartete … nur machte Elena mehr Kampfeinsätze mit als Baz. Als böses Komplott, das während des Nachtzyklus in den hintersten Winkeln von Miles’ Schädel ausgebrütet wurde, hatte diese Idee einen ernsten Makel. Tja, man konnte nichts gegen seine Gedanken tun. Dagegen, daß man den Mund auftat und etwas wirklich Dummes sagte, konnte man allerdings etwas machen.
»Hallo, ihr beiden. Setzt euch. Was kann ich für euch tun?«, begrüßte Miles sie fröhlich.
Elena erwiderte sein Lächeln, und beide Offiziere nahmen sich Stühle auf der gegenüberliegenden Seite von Miles’ Komkonsolenpult. In der Art, wie sie sich setzten, lag etwas ungewöhnlich Förmliches. Mit einer Geste seiner offenen Hand räumte Baz Elena das erste Wort ein, ein sicheres Zeichen, daß es um ein heikles Thema ging. Miles sammelte sich.
Sie begann mit dem Offensichtlichen. »Fühlst du dich jetzt wieder okay, Miles?« »Oh, mir geht es gut.« »Gut.« Sie holte tief Luft. »Mylord …« Ein weiteres sicheres Zeichen, daß etwas Ungewöhnliches in der Luft lag, wenn sie ihn in den Termini ihrer barrayaranischen Lehensbeziehung ansprach.
»… wir wollen aus dem Dienst ausscheiden.« Verwirrenderweise wurde ihr Lächeln noch breiter, als hätte sie gerade etwas Erfreuliches von sich gegeben.
Miles fiel fast vom Stuhl. » Was? Warum?« Elena blickte Baz an, und er nahm den Faden auf.
»Ich habe von einer Orbitalwerft bei Escobar ein Jobangebot für einen Ingenieursposten bekommen. Das Gehalt wäre ausreichend, daß wir beide aus der Flotte ausscheiden könnten.« »Ich … ich … habe gar nicht gewußt, daß ihr mit euren Gehaltsstufen unzufrieden seid. Wenn’s ums Geld geht, kann man etwas arrangieren.« »Es hat nichts mit dem Geld zu tun«, erwiderte Baz.
Das hatte Miles gefürchtet. Nein, es wäre ja sonst zu leicht gewesen … »Wir wollen ausscheiden, um eine Familie zu gründen«, brachte Elena die Aussage ihres Mannes zu Ende.
Was an dieser einfachen, vernünftigen Feststellung erinnerte Miles so eindringlich an den Augenblick, als die Nadelgranate des Heckenschützen seine Brust über das ganze Steinpflaster hatte bersten lassen? »Ah …« »Als Offiziere der Dendarii«, fuhr Elena fort, »können wir natürlich einfach rechtzeitig kündigen und weggehen. Aber als deine lehensgeschworenen Vasallen müssen wir dich um die Entlassung als Außergewöhnliche Gnade bitten.« »Hm … ich … bin mir nicht sicher, ob die Flotte darauf vorbereitet ist, auf einen Schlag zwei Spitzenoffiziere zu verlieren. Besonders Baz. Ich verlasse mich auf ihn, wenn ich weg bin, was ich fast die Hälfte der Zeit bin, und zwar verlasse ich mich nicht nur auf ihn in Sachen Technik und Logistik, sondern auch, weil er die Dinge unter Kontrolle hält. Um sicherzustellen, daß die privaten Kontrakte nicht irgendwelchen barrayaranischen Interessen auf
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