Vorkosigan 14 16 17 Der Botschafter
seufzte Tsipis.
»Man wünscht Graf Aral, dass er Enkel bekommt, während er noch lebt.«
War diese Bemerkung an mich gerichtet?, fragte sich Mark.
»Sie werden ein Auge auf die Dinge haben, nicht
wahr?«, fügte Tsipis hinzu.
»Ich weiß nicht, was ich nach Ihrer Meinung tun könnte.
Schließlich kann ja nicht ich es machen, dass sie sich in ihn verliebt. Wenn ich diese Macht über Frauen hätte, dann würde ich sie für mich selbst nutzen!«
Tsipis lächelte vage in Richtung des Platzes, auf dem
Kareen gesessen hatte, dann blickte er Mark nachdenklich an. »Wie? Ich hatte den Eindruck, dass Sie sie haben.«
Mark zuckte zusammen. Seine neu gewonnene betanische Rationalität hatte im Laufe der vergangenen Woche bezüglich des Themas Kareen an Boden verloren; mit seiner zunehmenden Spannung wurden seine Unterpersönlichkeiten aufsässig. Aber Tsipis war sein Finanzberater, nicht sein Therapeut. Nicht einmal – sie befanden sich schließlich auf Barrayar – sein Baba, sein Heiratsvermittler.
»Haben Sie also überhaupt ein Anzeichen bemerkt, dass
Madame Vorsoisson die Gefühle Ihres Bruders erwidert?«, fuhr Tsipis fast wehmütig fort.
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»Nein«, bekannte Mark. »Aber sie ist insgesamt sehr
zurückhaltend.« Und war das Mangel an Gefühlen oder nur schreckliche Selbstbeherrschung? Wer konnte das aus diesem Blickwinkel erkennen? »Warten Sie, ha, ich weiß!
Ich werde Kareen darauf ansetzen. Frauen klatschen
untereinander über diese Dinge. Das ist doch der Grund, warum sie sich so lange zusammen auf die Damentoilette zurückziehen: um ihre Begleiter zu sezieren. Zumindest hat Kareen es mir einmal so erklärt, als ich mich beschwerte, dass sie mich so lange allein ließ…«
»Mir gefällt der Sinn dieses Mädchens für Humor. Mir
haben immer alle Koudelkas gefallen.« In Tsipis' Augen erschien ein Glitzern. »Sie werden sie doch richtig behandeln, hoffe ich?«
Basilikumalarm, Basilikumalarm! Denk an den Kopf im Basilikumtopf! »O ja«, sagte Mark leidenschaftlich. Tatsächlich brannte Grunz darauf, sie gerade jetzt bis zur Grenze seiner auf Kolonie Beta trainierten Fähigkeiten und Kräfte richtig zu behandeln, wenn sie ihn nur ließe.
Schling, der es sich zum Hobby gemacht hatte, sie mit
Gourmet-Mahlzeiten zu bewirten, hatte heute einen guten Tag gehabt. Killer lauerte, bereit, jeden Feind umzubringen, den sie nennen würde, nur machte sich Kareen keine Feinde, sie machte sich bloß Freunde. Selbst Jaul war auf seltsame Weise in dieser Woche befriedigt, da der Schmerz aller anderen sein Gewinn war. Über dieses Thema stimmte die Schwarze Gang wie ein einziger Mann ab.
Diese schöne, warme, offene Frau … In ihrer Gegenwart
fühlte er sich wie eine schwerfällige kaltblütige Kreatur,
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die unter einem Felsen hervorkrabbelte, unter den sie
gekrochen war, um zu sterben, und jetzt dem unerwarteten Wunder der Sonne begegnete. Er konnte den ganzen Tag hindurch hinter ihr her rennen und Mitleid erregend fiepen, in der Hoffnung, sie würde ihn erneut für nur einen weiteren herrlichen Augenblick entzünden. Seine Therapeutin hatte ihm einige strenge Worte über diese
Sucht gesagt – Es ist nicht fair gegenüber Kareen, ihr eine solche Bürde aufzuerlegen, oder? Sie müssen lernen zu geben, aus der Fülle heraus, und nicht nur zu nehmen, aus Bedürftigkeit. Ganz recht, ganz recht. Aber verdammt, selbst seine Therapeutin mochte Kareen und versuchte sie für ihren Beruf zu gewinnen. Alle mochten Kareen, weil Kareen alle mochte. Sie wollten um sie herum sein; sie bewirkte, dass die anderen sich innerlich gut fühlten. Sie würden alles für Kareen tun. Kareen hatte im Überfluss, was Mark am meisten fehlte und wonach er sich am meisten sehnte: Frohsinn, eine ansteckende Begeisterung, Einfühlungsvermögen, geistige Gesundheit. Diese Frau hatte die kolossalste Zukunft im Vertrieb –was für ein Team konnten sie beide abgeben: Mark für die Analyse, Kareen für die Verbindung mit dem Rest der Menschheit…
Der bloße Gedanke, sie zu verlieren – aus welchem Grund auch immer –, machte Mark rasend.
Sein aufkommender Panikanfall verschwand und sein
Atem beruhigte sich, als Kareen heil und sicher wieder erschien, Enrique und Madame Vorsoisson immer noch im Schlepptau. Obwohl jeder von ihnen wegen des Mittagessens etwas an Ehrgeiz verloren hatte, brachte
Kareen sie alle wieder hoch und in Bewegung für die
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zweite Aufgabe dieses Tages: das Sammeln von Steinen
für Miles'
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