Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
Sicher?, fragte sie sich nachdenklich. Sie ließ zu, dass Marks Paranoia auf sie abfärbte. Jedoch…
Widerwillig die Stirn runzelnd, zog sie ihre betanischen Ohrringe aus den Ohren und steckte sie in die Tasche des Boleros. Mama war lange genug mit Gräfin Cordelia zusammen gewesen und konnte daher durchaus in der Lage sein, die betanische Bedeutung dieser Ringe zu entziffern.
Diese Art hier bedeutete: Ja. ich bin eine mündige und durch Empfängnisverhütung geschützte Erwachsene, aber ich befinde mich zurzeit in einer exklusiven Beziehung, und deshalb bringen Sie uns bitte nicht durch Fragen in Verlegenheit. Das war ziemlich viel, wenn man es in ein paar Metallspiralen codierte, und die Betaner hatten noch - 71 -
ein Dutzend weiterer Codes für andere Nuancen; einige von ihnen hatte sie durchlaufen. Das empfängnisverhütende Implantat, das die Ohrringe anzeigten, konnte jetzt einfach im Geheimen weiter dabei sein; es ging niemanden etwas an, außer ihr selbst.
Kareen verglich in Gedanken die betanischen Ohrringe
mit verwandten sozialen Signalen in anderen Kulturen: mit dem Ehering, gewissen Arten von Kleidung oder Hüten oder Schleiern oder Gesichtsbehaarung oder Tätowierungen. Alle diese Signale konnten unterlaufen werden, wie bei untreuen Ehepartnern, deren Verhalten ihre äußerlich zur Schau getragene Monogamie Lügen strafte, aber die Betaner schienen sehr gut darin zu sein, mit ihren Signalen übereinzustimmen. Natürlich hatten sie so viele Wahlmöglichkeiten. Ein falsches Signal zu tragen wurde gesellschaftlich außerordentlich missbilligt. Es verdirbt uns Übrigen die Sache, hatte ein Betaner ihr einmal erklärt.
Der ganze Gedanke dahinter ist, diese seltsamen
Ratespiele abzuschaffen. Man musste die Ehrlichkeit der Betaner bewundern. Kein Wunder, dass sie in den Naturwissenschaften so erfolgreich waren. Insgesamt, so schloss Kareen, verstand sie jetzt an der manchmal erschreckend vernünftigen, auf Beta geborenen Gräfin Cordelia Vorkosigan vielleicht vieles viel besser. Aber leider würde Tante Cordelia erst gegen Mittsommer, also zur Hochzeit des Kaisers wieder da sein und für Gespräche zur Verfügung stehen.
Als drunten Vorbarr Sultana ins Sichtfeld geriet, ließ sie abrupt von den Mehrdeutigkeiten des Fleisches ab. Es war Abend, ein prächtiger Sonnenuntergang malte die Wolken - 72 -
bunt, als der Shuttle zur Landung ansetzte. Die Lichter der Stadt in der Dämmerung ließen die Landschaft magisch erscheinen. Sie konnte liebe, vertraute Landmarken ausmachen: den sich schlängelnden Fluss. einen echten Fluss nach einem Jahr mit diesen dürftigen Brunnen, welche die Betaner in ihrer unterirdischen Welt eingerichtet hatten, die berühmten Brücken – das Volkslied in vier Sprachen über die Brücken kam ihr in den Sinn –, die Hauptlinien der Einschienenbahn … dann folgten der Sprung der Landung und mit einem letzten Aufheulen der Halt am Shuttlehäfen. Zu Hause, zu Hause, ich bin zu Hause! Kareen musste sich zurückhalten, sonst wäre sie über all die langsamen alten Leute vor ihr hinweggetrampelt. Aber schließlich hatte sie die Rampe des Andockrohrs und das letzte Labyrinth von Röhren und Korridoren hinter sich. Werden sie auf mich warten?
Werden sie alle da sein?
Kareen wurde nicht enttäuscht. Sie waren alle da,
standen als eigene kleine Truppe auf dem besten Platz neben den Säulen, die den Ausgangstüren am nächsten waren. Mama hielt einen riesigen Blumenstrauß umklammert, Olivia hob ein großes verziertes Schild hoch, von dem regenbogenfarbige Bänder baumelten und auf dem geschrieben stand WILLKOMMEN ZU HAUSE, KAREEN!, Martya hüpfte auf und nieder, als sie sie sah.
Delia blickte sehr kühl und erwachsen drein, und Papa trug noch seine grüne Interimsuniform vom Dienst im Hauquartier, stützte sich auf seinen Stock und lächelte. Die gemeinschaftlichen Umarmungen, bei denen das Schild verbogen und die Blumen zerdrückt wurden, erfüllten alle - 73 -
Erwartungen, die Kareens heimwehkrankes Herz gehegt
hatte. Olivia kicherte, Martya kreischte, und selbst Papa wischte sich Tränen aus den Augen. Passanten blickten neugierig herüber; männliche Passanten starrten sehnsüchtig herüber, und manche prallten dabei gegen die Wand. Kommodore Koudelkas komplett blondes Kommandoteam, so witzelten die jüngeren Offiziere im Hauptquartier. Kareen fragte sich, ob Martya und Olivia sie immer noch absichtlich quälten. Die armen Jungs boten immerzu an sich zu ergeben, aber bis jetzt
Weitere Kostenlose Bücher