Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
Ekaterin sagte etwas Grimmiges. Ivan lachte unsicher, dann wandte er sich um und winkte Olivia Koudelka zu, die sich gerade auf einen Platz in der hintersten Reihe setzte. Es war nicht fair, dass jemand, der die ganze Nacht aufgewesen war, so frisch aussah. Sie hatte sich umgezogen, vom Partykleid des gestrigen Abends in einen weiten Seidenanzug mit modischen Hosen im komarranischen Stil. Nach ihrem Winken und Lächeln zu schließen, war sie zumindest bei dem Kampf nicht verwundet worden. Nikki stellte eine aufgeregte Frage, auf die die Professora antwortete; sie starrte kühl und missbilligend auf den Hinterkopf von Richars Vorrutyer hinab.
Was zum Teufel tat Ekaterins ganze Familie bei ihr dort oben? Wie hatte sie Hugo und Vassily überredet, bei diesem Besuch zu kooperieren? Und wie hatte Gregor dabei die Hand im Spiel? Miles hätte schwören können, dass er einen Vorbarra-Gefolgsmann gesehen hatte, der sich abwandte, nachdem er sie zu ihren Plätzen geleitet hatte… In der Ratskammer stieß der Lordwächter des Sprecherkreises den Schaft eines Kavalleriespeers mit dem Vorbarra-Wimpel auf die hölzerne Platte, die zu diesem Zweck in den Boden eingelassen war. Das Klack-klack hallte durch die Kammer. Jetzt war keine Zeit mehr, um zur Galerie hinaufzusausen und herauszufinden, was dort vor sich ging, also bereitete Miles sich auf die weitere Tagesordnung vor. Auf die Dinge, die entscheiden würden, ob sie beide in einen Traum oder in einen Albtraum gestürzt würden … »Mein Herr, der Kaiser, erteilt Graf - 771 -
Vormoncrief das Wort. Treten Sie vor und bringen Sie Ihre Eingabe vor, Mylord.«
Graf Boriz Vormoncrief stand auf, klopfte seinem
Schwiegersohn auf die Schulter, schritt nach vorn und nahm seinen Platz im Sprecherkreis unter den bunten Fenstern ein, das Gesicht dem Halbkreis seiner Standesgenossen zugewandt. Er trug ein kurzes, förmliches Gesuch zur Anerkennung von Sigur als dem rechtmäßigen Erben des Vorbretten-Distrikts vor, wobei er sich auf das Ergebnis von Renés Genscan bezog, das schon einige Zeit vor dieser Abstimmung unter seinen Kollegen zirkulierte.
Er machte keine Bemerkung zu Richars' Fall, der auf der Liste der Tagesordnungspunkte wartete. Ein Wechsel von einem Bündnis zu einer Distanzierung, ja, bei Gott!
Während Richars zuhörte, wirkte sein Gesicht unbewegt und gleichmütig. Boriz verließ den Kreis.
Der Lordwächter stieß wieder mit dem Speer auf den
Boden. »Mein Herr, der Kaiser, erteilt Graf Vorbretten das Wort. Treten Sie vor und machen Sie Ihr Recht geltend, dieses Gesuch zurückzuweisen, Mylord.«
René stand an seinem Pult auf. »Mylord, ich überlasse den Kreis vorübergehend Lord Dono Vorrutyer.« Er setzte sich wieder.
Ein Gemurmel von Bemerkungen erhob sich unter den
Versammelten. Jeder verstand den Tausch und dessen
Logik. Zu Miles' tiefer und heimlicher Befriedigung schien Richars überrascht worden zu sein. Dono stand auf, hinkte in den Sprecherkreis und wandte sich den versammelten Grafen von Barrayar zu. Ein kurzes Lächeln ließ, vom Bart umrahmt, seine weißen Zähne aufblitzen. Miles folgte - 772 -
seinem Blick hinauf zur Galerie gerade rechtzeitig und sah.
wie Olivia an ihrem Platz aufstand und eine schwungvolle Geste mit dem Daumen nach oben machte.
»Eure Majestät, Mylord Wächter, meine Lords.« Dono
befeuchtete seine Lippen und begann mit dem formellen Wortlaut seines Gesuches um den Grafentitel des Vorrutyer-Distrikts. Er erinnerte alle Anwesenden daran, dass sie beglaubigte Kopien des kompletten ärztlichen Berichts und der beeidigten Erklärungen der Zeugen bezüglich seines neuen Geschlechts bekommen hatten.
Kurz wiederholte er seine Argumente bezüglich seines
Anrechts aufgrund der männlichen Primogenitur, der Wahl des Grafen und seiner bisherigen Erfahrungen durch die Unterstützung seines verstorbenen Bruders Pierre bei der Verwaltung des Vorrutyer-Distrikts.
Lord Dono stand mit gespreizten Beinen da, hielt in
einer selbstbewuss-ten Haltung die Hände im Kreuz
umfasst und reckte das Kinn. »Wie einige von Ihnen
inzwischen schon wissen, hat letzte Nacht jemand
versucht, Ihnen diese Entscheidung wegzunehmen. Die
Zukunft von Barrayar nicht in dieser Ratskammer, sondern irgendwo in den Seitenstraßen zu entscheiden. Man hat mich angegriffen; glücklicherweise bin ich ernsten Verletzungen entgangen. Meine Angreifer befinden sich jetzt in den Händen von Lord Vorbohns Wache, und ein Zeuge hat genug ausgesagt, sodass mein Cousin
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