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Vorn

Titel: Vorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bernard
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     kochte, konnte man auch Gerichte wie Backhuhn mit Preiselbeeren oder Topfenpalatschinken essen. Tobias und Dennis gingen am
     Anfang vor allem mit Philipp Nicolai und Robert Veiths älterem Bruder Johannes, der auch im Kulturteil der Tageszeitung arbeitete,
     ins Schumann’s. Sie schienen langjährige Stammgäste der Bar zu sein, und nach Philipp war sogar ein eigenes Getränk benannt
     worden, der »Nicolai-Kaffee« in einem schmalen Glas, mit halbfest geschlagener Sahne. Wenn man mit den beiden das Lokal betrat,
     kam einem sofort |80| einer der Kellner entgegen; das Gedränge im Raum hatte plötzlich nichts Abweisendes mehr an sich, und man wurde an einen unbesetzten
     Tisch im hinteren Teil geführt. Konrad hieß die Gäste mit seiner dunklen Stimme willkommen; sein »Grüß Gott« klang nicht rabiat
     wie das schallende »Vorsicht!« zu den Laufkunden im Durchgang, sondern warmherzig und einladend. Und wenn sie etwas zu essen
     bestellten, kam der Besitzer der Bar ausnahmsweise selbst mit den Tellern auf dem Arm aus der Küche heraus. In seiner so grobschlächtigen
     wie weltmännischen Art begrüßte er sie und rief ihnen auf dem Weg zurück in die Küche noch zu: »Jungs, wenn ihr mehr braucht,
     dann sagt ihr’s, ja?«
     
    An diesen Freitagabenden, an Tischrunden, die sich ständig erweiterten und neu zusammensetzten, wurde Tobias klar, mit welcher
     Aufmerksamkeit das
Vorn
- Magazin in München wirklich gelesen wurde. Als er dort angefangen hatte, wusste er zwar, dass die Zeitschrift als Beilage
     einer so wichtigen Tageszeitung einigermaßen bekannt sein musste. Aber erst die ganzen Begegnungen und Gespräche im Schumann’s
     machten ihm deutlich, wie groß die neue Welt, die das
Vorn
für ihn eröffnete, wirklich war. Als regelmäßiger Autor des Hefts wurde Tobias auch immer wieder angesprochen: »Wie heißen
     Sie mit Nachnamen? ›Lehnert‹? Von Ihnen hab ich schon viel gelesen!«, sagte eine in der Runde, die sich als Chefredakteurin
     der Zeitschrift
Cosmopolitan
herausstellte und Tobias fragte, ob er auch einmal etwas für sie schreiben wolle. Eine andere Frau, eine junge Modedesignerin,
     die, wie er an den Etiketten ihrer über |81| den Stuhl geworfenen Jacken sah, meistens ihre eigene Marke trug, sagte einmal: »Hast du neulich nicht den Artikel über das
     letzte Treffen nach einer Trennung geschrieben? Dass man sich immer in einem möglichst neutralen Café verabredet, in das man
     nie zusammen gegangen wäre, und dann die Sachen austauscht, die man noch voneinander hat? Daran muss ich oft denken, der Artikel
     war wirklich toll!«
     
    Tobias kannte in diesen großen Runden anfangs nicht besonders viele Gesichter. Außer Philipp und Johannes traf er nur die
     paar Leute aus seiner Redaktion, die auch regelmäßig ins Schumann’s gingen, etwa eine Mitarbeiterin aus dem Marketing, die
     aus wohlhabendem Elternhaus stammen musste. Sie bestellte nie etwas anderes als Champagner. Dass Geld für sie keine besondere
     Rolle spielte, wurde Tobias spätestens an dem Abend bewusst, als sie ihn nach Redaktionsschluss einmal in ihrem Auto mitnahm.
     Sie hatte die Angewohnheit, die paar hundert Meter zwischen ihrer Wohnung am Gärtnerplatz und dem
Vorn
jeden Tag mit ihrem kleinen Peugeot zurückzulegen. Wenn sie vor dem Redaktionsgebäude angekommen war, das in einer Seitenstraße
     nahe der Fußgängerzone lag, stellte sie das Auto immer direkt vor dem Hauseingang im absoluten Halteverbot ab. Abends nahm
     sie dann den obligatorischen Strafzettel von der Windschutzscheibe, so ungerührt, als wäre es ein Werbeprospekt. Als Tobias
     an dem Abend mit ihr ins Schumann’s fuhr, fiel sein Blick auf ein dickes Bündel von Strafzetteln in der Mulde der Gangschaltung,
     sorgfältig zusammengehalten von einer Büroklammer, und auf seinen überraschten |82| Gesichtsausdruck hin sagte sie lachend: »Ach ja, stimmt, da hat sich schon wieder was angesammelt.«
     
    An den Tischen im Schumann’s waren die Mitarbeiter des Magazins immer an den rosafarbenen
Vorn
- Feuerzeugen vor ihnen zu identifizieren, einem Werbegeschenk des Verlags. Eines davon gehörte der Bildredakteurin, einer schon
     älteren, anfangs etwas schroff wirkenden Frau namens Fanny von Graevenitz, mit der Tobias während der Arbeitszeit nur wenig
     zu tun hatte. Nun erfuhr er von mehreren Seiten, dass Fanny offenbar eine Legende des Münchner Magazinjournalismus war, die
     in den siebziger und achtziger Jahren bei Zeitschriften

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