Vorn
wie
Quick
,
Lui
oder
Transatlantic
gearbeitet hatte. Sie kannte auch den Besitzer der Bar schon seit mehr als zwanzig Jahren und gehörte zu den ältesten Stammgästen.
Über Dennis und Anne lernte Tobias fast an jedem Abend im Schumann’s neue Leute kennen. Einmal kamen ein paar auffällig gut
aussehende und elegant angezogene Jungs in den hinteren Teil und wurden von Dennis mit großem Hallo begrüßt. Einer von ihnen
war der Londoner Autor des
Vorn
- Magazins, der meistens über elektronische Musik und Fußball schrieb. Er hieß Simon, stammte ursprünglich aus München und war
vor zwei oder drei Jahren zum Studieren nach England gegangen. Jetzt verbrachte er gerade die Ferien zu Hause und war mit
ein paar alten Schulfreunden unterwegs. Dennis und Anne hatten Simons Freunde, die alle als DJ oder Partyveranstalter arbeiteten,
schon häufiger beim Ausgehen getroffen. Es fielen Namen |83| von Clubs, in denen Tobias noch nie gewesen war. Simon sagte, sie würden nachher noch in die Mandarin Lounge gehen, weil da
Boris Dlugosch auflege, später vielleicht ins Sugar Shack oder ins P1. Dann war auch von einem neuen Laden namens Sonic die
Rede, den einer von Simons Begleitern gerade in der Nähe des Hofbräuhauses eröffnet hatte. In solchen Momenten wurde Tobias
immer klar, wie sehr sich die Biografie seiner Kollegen im
Vorn
von den Kreisen unterschied, in denen er groß geworden war. Seit seinen ersten Punkkonzerten mit fünfzehn hatte sich Tobias
eigentlich immer eher in Szenen aufgehalten, die zur Alternativ- oder Subkultur gehörten. Der Hintergrund der meisten
Vorn
- Leute lag dagegen in einem ganz anderen Bereich, in Club-, Hip-Hop- und Sprayer-Kreisen, von denen Tobias nie besonders viel
mitbekommen hatte.
In manchen Nächten entstand im hinteren Teil des Schumann’s eine geschlossene, fast clubartige Atmosphäre. Konrad und Milan
sorgten irgendwann ungefragt für einen ständigen Nachschub der angenehm kalten Biere. Von vorne kamen zwar manchmal noch Leute
auf dem Weg zu den Toiletten vorbei, doch ansonsten wirkte der Raum, als wäre er kein öffentliches Lokal mehr. Und wahrscheinlich
waren es genau solche Momente, in denen sich Tobias zum ersten Mal wirklich bewusst wurde, wie schwer dieses neue Leben mit
Emily in Verbindung zu bringen war. Einmal fragte ihn plötzlich seine ehemalige Kollegin Carla Bertoni, die mittlerweile bei
einer Frauenzeitschrift arbeitete: »Tobias, warum bringst du eigentlich nie deine Freundin |84| mit?« Und er musste sich eingestehen, dass diese Überlegung so abwegig war, dass er noch nicht einmal darüber nachgedacht
hatte. Emily im Schumann’s? Das passte nicht zusammen. Mit dem Ort konnte sie nichts anfangen, obwohl sie selbst noch nie
dort gewesen war. Sie hatte aber natürlich in Zeitungsberichten schon häufig über die Bar und ihren Besitzer gelesen. »Was
willst du denn schon wieder in dem Prominentenladen?«, fragte sie Tobias manchmal genervt, wenn er ihr am Telefon erzählte,
dass er dort verabredet sei. Emily wollte mit dem Schumann’s nichts zu tun haben, wie sie überhaupt den Kontakt mit dem
Vorn
- Umfeld mittlerweile konsequent zu vermeiden schien. Sie rief Tobias etwa nie mehr in der Redaktion an, ohne dass sie das genau
begründet hätte. Und nachdem er gemerkt hatte, dass sie von seinen Erzählungen über den Redaktionsalltag im
Vorn
und über die neuesten journalistischen Gerüchte zunehmend angeödet war, wurden die Gespräche zwischen ihnen nach und nach
etwas flüchtiger. Es war nicht so, dass sie sich wirklich schlechter verstanden hätten; wenn sie den Sonntag zusammen verbrachten
und stundenlang auf einer Decke an der Isar lasen, war alles wie immer in den vergangenen fünfeinhalb Jahren. Aber jene neue
Welt, die ihn beinahe pausenlos beschäftigte, teilte sie nicht mit ihm. Und Tobias merkte auch, dass er sich oft nicht mehr
richtig auf Emily konzentrierte, wenn sie sich abends trafen. Es kam jetzt immer häufiger vor, dass sie ihm irgendetwas sagte
und auf seine Nachfrage verärgert antwortete: »Sag mal, Tobi, hörst du mir eigentlich nicht mehr richtig zu? Ich hab dir doch
schon heut früh länger davon erzählt.« Und Tobias, der eigentlich ein |85| gutes Gedächtnis hatte, war irritiert, weil er sich tatsächlich nicht an dieses Gespräch erinnern konnte.
Das
Vorn
- Magazin wurde in dieser Zeit endgültig das Raster, durch das er die Welt wahrnahm. Sie waren so gut wie
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