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Vorn

Titel: Vorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bernard
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am Ende einer Abendschicht in der
     Flüchtlingsunterkunft müde war und nicht mehr den langen Weg zur S-Bahn nehmen wollte, kam es vor, dass er sich eine |73| Taxifahrt leistete – immer mit einem schlechten Gewissen, weil ihn die Fahrt quer durch die Stadt ein Viertel des in den Stunden
     davor verdienten Geldes kostete. Als Tobias kurz nach seinen ersten Veröffentlichungen im
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einmal mit Carla Bertoni ausging, hielt sie ganz automatisch ein Taxi an. Er war noch nicht vertraut mit den Ritualen des
     Taxifahrens; sie öffnete die rechte hintere Tür und stieg ein, er öffnete die vordere und setzte sich neben den Fahrer, was
     sie, wie er zu beobachten glaubte, mit einem befremdlichen Blick quittierte. Sie hatte wohl erwartet, dass er sich zu ihr
     nach hinten setzen würde. (Carlas Reaktion brachte ihm damals kurz die peinliche Szene in den Sinn, wie er bei seinem ersten
     New-York-Aufenthalt ein Taxi anhielt und vorne einsteigen wollte. Die Tür ließ sich nicht öffnen, er versuchte es zwei- oder
     dreimal, und erst durch die irritierten Handbewegungen des Fahrers und den Blick auf den Beifahrersitz, auf dem ein Haufen
     Stadtpläne lagen, verstand er, dass dieser Platz gar nicht in Betracht kam.) Es dauerte dann aber nur zwei, drei Monate, bis
     Tobias als Teil der
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Redaktion, die sich abends ausschließlich per Taxi fortbewegte, einen selbstverständlichen Umgang mit diesem Verkehrsmittel
     erlernt hatte.

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    Unter den neuen Orten, die Tobias durch seine Arbeit beim
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- Magazin kennenlernte, übte einer besonders große Anziehungskraft auf ihn aus: das Schumann’s, eine bekannte Münchner Bar,
     in der die Redakteure unter der Woche häufig und am Freitag grundsätzlich landeten. Tobias kannte den besonderen Ruf des Lokals,
     sein regelmäßiges Auftauchen in den Gesellschaftskolumnen der Zeitungen, und deshalb wirkte der kleine, niedrige Raum beim
     ersten Anblick überraschend glanzlos auf ihn, fast ein wenig schmuddelig. Das Schumann’s bestand aus einem vorderen und einem
     hinteren Teil, die durch eine Zwischenwand in der Mitte voneinander getrennt waren. Links von dieser Wand, in einer Nische,
     stand ein einzelner, besonders ruhiger Tisch, an dem Tobias, Ludwig und Dennis unter der Woche manchmal saßen, um Steaks zu
     essen. Das Publikum in den beiden Räumen unterschied sich erheblich voneinander. Während vorne eher Geschäftsleute und Besucher
     der nahe gelegenen Opern und Theater zu finden waren, saßen an den acht, neun Tischen im hinteren Teil viele Journalisten,
     Schriftsteller oder Schauspieler.
     
    Jeder Freitagabend begann in dieser Zeit auf dieselbe Weise. Gegen zehn oder halb elf rief Tobias, der am weitesten von der
     Innenstadt entfernt wohnte, ein Taxi. Er holte zuerst Robert ab, nur ein paar Straßen weiter, |76| dann bogen sie in die lange Lindwurmstraße ein, klingelten bei Dennis und fuhren zu dritt ins Schumann’s. Freitag war der
     belebteste Tag – Samstag hatte die Bar ohnehin geschlossen –, und wenn sie sich auf dem Vorplatz absetzen ließen und die dunkle
     Holztür öffneten, war das Lokal meistens schon völlig überfüllt. (In den Sommermonaten spielte sich das Geschehen oft komplett
     auf diesem kleinen Vorplatz ab. In der Bar selbst saß dann über Stunden hinweg kaum ein Gast, die begehrten Plätze im hinteren
     Teil so leer wie nachmittags um fünf, und draußen standen hundert, zweihundert Menschen, die sich um die wenigen Tische vor
     dem Eingang scharten. Mitten durch den Menschenauflauf hatte sich im Lauf der Stunden eine Schneise gebildet, durch die die
     weißgeschürzten Kellner liefen, um ständig neue Tabletts mit Bier, Mojitos oder einem beliebten Getränk namens »Sommerschorle«,
     einer Mischung aus Weißwein und Tonic-Wasser, nach draußen zu bringen.) Im Schumann’s galt die unausgesprochene Regel, dass
     man sich nicht einfach an freie Tische setzen konnte, sondern von den Kellnern einen Platz zugewiesen bekam, was dazu führte,
     dass Gäste manchmal stehen mussten, auch wenn die Bar fast leer war, oder umgekehrt auch im größten Gedränge noch ein oder
     zwei Tische im hinteren Teil unbesetzt blieben. Bei den meisten Besuchern hatte sich daher eine Art Bewährungssehnsucht eingestellt.
     Jeder wollte zu der Gruppe von Gästen gehören, für die immer ein Platz vorgesehen war. »Was, du kriegst einen Tisch im Schumann’s?«,
     hatte der Verlagsleiter im
Vorn
etwa zu Robert Veith gesagt, als der nach dem

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