Vorsätzlich verliebt
eine Ratte? Hätte sie es gespürt, wenn sie die Kreatur überfahren hätte, oder war sie zu klein, um …
»O Gott, o nein.« Kaye taumelte aus dem Wagen und ging in die Knie. Was sie sah, entsprach ihren Befürchtungen. Der kleine Körper lag reglos im Schatten unter dem Auto. Sie hatte die Ratte getötet. Kaye wandte das Gesicht ab. Sie war hoffnungslos zimperlich, aber sie wusste, sie musste das Tier hervorziehen, sonst würde sie es mit den Hinterrädern noch einmal überrollen, wenn sie anfuhr. Sie langte nach unten und zog es zu sich. Bäh, Ratten waren widerlich, sie …
»Neeeiiiin!«, kreischte eine hohe Stimme aus der Ferne. Eine Wagentür wurde zugeschlagen, und Schritte kamen auf sie zu.
»Nein«, krächzte Kaye, als sie die Ratte unter dem Wagen hervorgezogen hatte und sah, dass es gar keine Ratte war. O nein, o nein, o nein. Ihr wurde heiß, dann eiskalt, dann schwindelig, entsetzt vom Anblick der winzigen Kreatur: Charlenes Chihuahua.
»Du hast Babylämmchen getötet! Du hast mein Baby getötet!« Charlene hatte sie erreicht, keuchend und völlig außer sich. Sie nahm den kleinen Körper in die Arme und schaukelte ihn. »Oh, mein Babylämmchen, wach auf, wach auf …«
»Es tut mir so leid. Es war ein Unfall. Es tut mir so leid.« Dumpf war sich Kaye weiterer Schritte bewusst, die sich ihnen näherten. Hilflos schüttelte sie den Kopf. »Es war ein Unfall. Er kam aus dem Nichts und rannte direkt unter den Wagen. Ich konnte gar nichts tun. Es tut mir leid.«
»Es tut dir überhaupt nicht leid. Du lügst!«, kreischte Charlene mit funkensprühenden Augen, die Lippen hasserfüllt verzogen. »Du Schlampe! Das hast du absichtlich getan!«
Kaye stolperte nach hinten, von der Heftigkeit dieses Angriffs überrascht. »Das ist nicht wahr. So etwas würde ich nie tun. Das ist nicht wahr!«
»Du hasst mich. Du bist eifersüchtig«, spuckte Charlene giftig. »Du willst Denzil, und du erträgst es nicht, dass ich ihn habe. Du bist geisteskrank. Du bist eine durchgeknallte Hundemörderin, und du wirst dafür bezahlen. Denzil ist mein Ehemann, und du wirst ihn mir nicht wegnehmen. Du bist nichts weiter als eine billige, magere, rothaarige Ehebrecherin, und du hast mein Babylämmchen absichtlich überfahren!«
»Das habe ich nicht. Ehrlich nicht.«
»Lüg mich nicht an! Sieh dich doch nur an, du bist betrunken.« Charlene zeigte mit einem knochigen Finger auf sie. »Ich weiß, dass du es absichtlich getan hast, weil ich dich dabei beobachtet habe. Ich war oben auf dem Balkon und habe gesehen, wie du absichtlich einen Schlenker gefahren bist, um Babylämmchen zu überrollen. Du wolltest mir weh tun, darum hast du mein Baby getötet.«
Das war ein Albtraum. Kaye konnte es nicht glauben. Gäste, Sicherheitsleute und Hauspersonal eilten herbei, um zu sehen, was passiert war. Kayes Beine gaben unter ihr nach, und sie wäre beinahe auf den Beifahrersitz ihres Wagens gefallen. Sie versicherte jedem, der zuhörte, ihre Unschuld.
»Sie ist betrunken«, gellte Charlene immer wieder. »Während der ganzen Party hat sie sich am Wein bedient. Wenn sie nicht gerade meinem Mann schöne Augen machte.«
»Ich hatte ein Glas Wein, nur
ein
Glas Wein«, protestierte Kaye, aber es war sinnlos.
»Sie ist eine verbitterte, verdrehte, mordlustige Schlampe, und in dieser Stadt ist sie
erledigt
!«, kreischte Charlene, die immer noch die Leiche des Hundes in ihren Armen wiegte.
»Es war ein Unfall. Es tut mir leid, ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll.« Kaye hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so einsam und verlassen gefühlt. Niemand glaubte ihr, keiner war auf ihrer Seite. Kaye vergrub den Kopf in ihren zitternden Händen, und zum ersten Mal bemerkte sie, dass sie sich den engen Rock zerrissen hatte, als sie unter den Wagen gefasst hatte.
»Was ist hier los?« Denzil war der Letzte, der am Tatort eintraf. Er atmete schwer, blieb schnaufend stehen und starrte entsetzt von Kaye zu dem winzigen Bündel in Charlenes knochigen Armen. »Herrjemine, nicht Babylämmchen.«
Tränen glitten über Charlenes Gesicht, tropften von ihrem frisch modellierten Kinn. »Sie hat ihn e-ermordet, Denny. Sie hat es absichtlich getan.« Zwischen lautstarken Schluchzern forderte sie: »Ruf die C-Cops. Die Schlampe muss dafür bezahlen.«
Es befanden sich fünf Kunden im Laden, als Stella eintrat.
Erin sank das Herz, wie ein Anker in der Tiefsee. Davor hatte sie sich schon die ganze Woche gefürchtet. Jetzt konnte alles
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