Vorsaison
Aufgeregt rief sie, wie
gut, dass ich mich endlich meldete! Sie war wie versprochen mittags bei Babs im
Supermarkt gewesen.
>>Mein Gott Sabrina<<, rief
sie durch das Telefon, >>stell dir bloß vor — ihr eigener Vater hat sie
grün und blau geschlagen! Babs hat immer noch ein Veilchen und eine geplatzte
Lippe. Sie ist todunglücklich und ihr Vater hat ihr auch alles weggenommen. Wir
müssen unbedingt etwas tun, um sie da rauszuholen!<<
Irgendwie hatte ich mir schon so etwas
gedacht. Doch ich wollte, dass Sonja mir erst einmal alles der Reihe nach
erzählte. Sonja klang gestresst und hektisch, auch weil dies ein Ferngespräch
war. Also beruhigte ich sie und sagte, ich hätte genug Kleingeld — notfalls
könnten wir die halbe Nacht telefonieren. Sonja beruhigte sich daraufhin etwas
und fing nochmal von vorne an zu erzählen, wie sie Babs mittags im Supermarkt
angetroffen hatte. Sie sagte, Babs sei bei ihrem Anblick gleich in Tränen
ausgebrochen. Leider war Babs Mittagspause zu dem Zeitpunkt aber schon
vorbeigewesen, doch angesichts ihres Zustandes hatte der Filialleiter es ihr
gestattet, mit Sonja für eine Viertelstunde auf den Parkplatz zu gehen. Dort
hatten sie sich in Sonjas Wagen gesetzt und Babs hatte ihr heulend berichtet,
wie ihr Vater sie ohne Vorwarnung bei ihrer Rückkehr am Sonntagabend gepackt
und verprügelt hatte. Er hatte während ihrer Abwesenheit ihr Zimmer durchsucht
und den alten Koffer gefunden, in dem Babs neben ein paar Discoklamotten, auch
ein Sparbuch und die Verpackung ihrer Antibabypille aufbewahrte. Daraufhin
hatte ihr Vater im Supermarkt angerufen und erfahren, dass seine Tochter gar
nicht, wie von ihr behauptet, für eine Woche Urlaubsvertretung in einer anderen
Filiale machte, sondern selbst Urlaub hatte. Zu Hause hatte Babs erzählt, sie
müsse Urlaubsvertretung machen und weil die Filiale zu weit weg sei, um jeden
Abend heim zu fahren, würde das Unternehmen ihr die Übernachtung in einer
Pension bezahlen. Ihr Vater hatte ihr Sparbuch, auf dem sich noch über 2.000 DM
befanden, einkassiert und sich seinen eigenen Reim auf die Nutten-Klamotten aus Babs‘ Koffer, dem Geld auf dem Sparbuch und der Antibabypillenschachtel gemacht.
Nach Babs‘ Rückkehr hatte er sie dann
dermaßen verprügelt, dass sie montags auch nicht zur Arbeit gehen konnte. Ihr
Vater rief erneut im Supermarkt an, meldete seine Tochter krank und erzählte,
sie sei tags zuvor aus dem Urlaub zurückgekommen, wo man sie überfallen und
schwer misshandelt hätte! Sonja hatte Babs angeboten, sie gleich zur Polizei zu
fahren, damit sie Anzeige gegen ihren Vater erstatten könnte, aber Babs hatte
abgelehnt — zu groß war die Angst vor ihrem Vater. Außerdem stünde dann seine
Aussage gegen ihre. Denn auch dem Arzt, bei dem sie dann gewesen war, hatte
Babs erzählt, sie sei an ihrem letzten Urlaubstag in Spanien überfallen worden.
Der Arzt hatte sie für den Rest der Woche krankgeschrieben und ihr Vater hatte
sie auf ihrem Zimmer eingesperrt. Davon, dass ich bei ihr zu Hause gewesen war,
mich als Arbeitskollegin ausgegeben und nach ihr gefragt hatte, davon wusste
Babs nichts. Ihr Vater bestand nun darauf, dass sie jeden Abend nach der Arbeit
sofort mit dem nächsten Bus nach Hause fuhr und natürlich ließ er sie auch an
den Wochenenden nicht mehr aus dem Haus! Sonja sagte, Babs habe schon darüber
nachgedacht, einfach abzuhauen, auch ohne Geld. Nur leider hatte ihr Vater ihr
auch den Reisepass abgenommen — und wie sollte sie ohne Reisepass über die Grenzen
bis nach Spanien kommen? Darauf wusste ich allerdings auch keine Antwort.
>>Babs möchte auch wissen, ob
du was von Hermann gehört hast<<, sagte Sonja schließlich. Ich wusste
nicht, was Babs ihr über Hermann erzählt hatte, aber ich antwortete, dass er
schon nach Babs gefragt habe und ich auch versprochen hätte, ihn auf dem
Laufenden zu halten.
>>Was sollen wir denn jetzt
tun?<<, rief Sonja durch den Hörer. Ich wusste es nicht und überlegte sogar
einen Moment, Sonja zu erzählen, was ich über Hermann wusste, der sich schon
mit einer anderen tröstete. Doch Babs hätte Sonja dies eh nicht geglaubt — und selbst
wenn, hätte es auch nicht dazu beitragen, dass sie sich besser fühlte! So wie
ich Babs kannte, hätte sie sich nur selbst die Schuld gegeben. Immerhin war sie
nicht wie versprochen nach Lloret zurückgekommen. Für ihren Hermann würde Babs immer eine Entschuldigung finden! Also sagte ich, dass ich erst über
alles nachdenken müsste und
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