Vorsaison
nicht wusste, wer ich war, machte ich mir keine Illusionen. Ich fragte
mich allerdings, was er nun von mir wollte. Statt jedoch zu versuchen, mich zu
erpressen, so wie ich es befürchtet hatte, war er sehr nett und erzählte mir,
dass man Ernie letzten Mittwoch nach Gerona verlegt habe. Er meinte, er habe
auch dafür gesorgt, dass Ernie die Zigaretten bekommen hätte, die unser
Bekannter noch am selben Abend vorbeigebracht habe, an dem auch ich auf der
Wache gewesen sei. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was der Rothaarige von mir
erwartete und ich wusste auch nicht, was ich hätte sagen sollen und so überließ
ich das Reden ihm. Er sagte auch, sein Comandante würde immer noch glauben,
Ernie hätte irgendwo Geld versteckt, das aus den Banküberfällen stammte und da
wurde ich misstrauisch! Was wenn der Rothaarige seinem Comandante schon
längst erzählt hatte, woher er mich kannte und deshalb nun den Auftrag bekommen
hatte, mir auf den Zahn zu fühlen, indem er versuchen würde, zuerst mein
Vertrauen zu gewinnen?
Als habe er meinen Gedanken gelesen,
sagte der Rothaarige dann, dass er seinem Comandante nicht erzählt habe, woher
er mich kennen würde — obwohl er mich sofort erkannt habe, als ich letzte Woche
auf der Wache erschienen wäre. Dabei sah er mich irgendwie schmachtend an und
mir wurde übel. Dann meinte er, dass er eigentlich schon lange einmal vorgehabt
habe, mich einzuladen, sich jedoch nie getraut hätte, weil ich immer so
unnahbar und kühl wirken würde. Ich wusste immer noch nicht, was ich hätte
sagen sollen und blieb mit regungsloser Miene neben ihm sitzen. Der Rothaarige
sprach weiter und warnte mich, sein Comandante sei von der Idee, dass Ernie
noch irgendwo Geld versteckt haben müsste, regelrecht besessen! Endlich
reagierte ich und zuckte gleichgültig die Schultern.
>>Wenn er möchte, kann er gerne
nochmal vorbei kommen und das piso erneut auf den Kopf stellen<<, sagte
ich. In den Spiegelkacheln sah ich, dass die beiden Gäste der Schottinnen
gerade dabei waren zu bezahlen und zum ersten Mal war ich froh darüber, als
Fiona gleich darauf zu uns herüber kam und sich zwischen mich und den
Rothaarigen drängte.
>>Hola cariño-hallo
Schatz<<, säuselte Fiona und legte ihm die Arme um den Hals. Ich hätte so etwas
bei einem Gast niemals getan und normalerweise hätte ich mir von ihr auch nie
einen Gast ausspannen lassen! Doch nun ließ ich sie nur allzu gerne gewähren.
Ich hatte meine Copa eh fast geleert, stand auf und machte meinen Hocker
bereitwillig für ihre Schwester frei, die nun ebenfalls zu uns herüberkam und
mich dabei mit giftigen Blicken bombardierte. Der Rothaarige hatte auch nicht die
Traute, sich gegenüber den beiden Schottinnen zu behaupten und winkte Paco,
damit er den beiden ebenfalls je eine Copa bringen sollte. Corinna und Titus
waren immer noch in ein Gespräch vertieft. Donna war zwischenzeitlich mit einem
Gast in eines der Séparées gegangen und so setzte ich mich zu Rosi in die Ecke
bei der Toilette, von wo aus man einen guten Blick auf die ganze Bar hatte,
ohne selbst gesehen zu werden. Ich dachte über den Rothaarigen nach. Entweder
sein Comandante hatte ihn auf mich angesetzt oder er selbst glaubte ebenfalls,
dass Ernie noch irgendwo Geld versteckt hatte und wollte dieses nun ebenfalls
finden — oder er war tatsächlich bloß ein netter Kerl, so wie Ernie es gesagt
hatte, und wollte mich warnen.
***
Später in der Nacht, oder besser
gesagt, in den frühen Morgenstunden, klingelte es unten an der Haustür. Ich war
nach der Arbeit gleich nach Hause gegangen und hatte schon geschlafen. Ein
Blick auf den Wecker sagte mir, dass es vier Uhr in der Früh war, und ein Blick
aus dem Wohnzimmerfenster, dass es Maurice und nicht Peter war, der da klingelte.
Aber warum hätte Peter auch klingeln sollen, wo er doch einen Schlüssel hatte? Wenn
er tatsächlich tot ist, wo sind seine Schlüssel jetzt oder wer hat sie jetzt — und
weiß dieser jemand, in welches Schloss diese Schlüssel passen? Weiter kam
ich mit meinen Gedanken nicht, denn da stand auch schon Maurice vor mir. Ich
war nach unten gelaufen, um die Haustür aufzuschließen und ihn hineinzulassen.
>>Bist du alleine?<<,
fragte Maurice mich, während ich hinter ihm wieder zusperrte.
>>Ja, Peter ist immer noch
nicht wieder aufgetaucht.<<
>>Das hatte ich mit meiner
Frage eigentlich nicht gemeint, aber es beantwortet zumindest meine zweite
Frage<<, erklärte Maurice.
Ich hatte die Tür mittlerweile
Weitere Kostenlose Bücher