Vorsaison
verständnisvoll
waren, ließ Corinna sie in dem Glauben, sie arbeite nun in einem Reisebüro als
Sekretärin und im Sommer auch ab und zu als Reiseleiterin. Allerdings sei ihr
Chef so streng, dass er sie augenblicklich feuern würde, wenn er sie dabei
erwischen würde, wie sie vom Büro aus Privatgespräche führe, weshalb sie ihren
Eltern auch nicht die Telefonnummer geben könnte — noch nicht einmal für
Notfälle! Anscheinend hatten Corinnas Eltern dies geschluckt. Allerdings kamen sie
jedes Jahr im Herbst nach Lloret, um ihre Tochter zu besuchen, und ich fragte
mich, wie Corinna es schaffte, ihr Lügengeflecht trotzdem so gut aufrecht zu
erhalten. Was meine Familie in Deutschland betraf, so beschränkte sich der
Kontakt nun nur noch auf sporadische Postkarten, die ich an meine Großeltern
schickte. Einmal, kurz nach meiner Ankunft in Lloret, hatte ich sie auch
angerufen, um ihnen mitzuteilen, dass ich gut angekommen war. Aus Angst, sie
könnten meine Adresse jedoch irgendwie an meinen Ex-Freund weitergeben, hatte
ich ihnen diese nicht genannt und erhielt auch ihnen gegenüber die Lüge
aufrecht, ich sei in Madrid. Natürlich würde man am Poststempel auf den
Postkarten leicht erkennen können, dass diese nicht aus Madrid kamen, aber ich
ging nicht davon aus, dass jemand bei mir zu Hause darauf achten würde. Dafür
war das Interesse an mir zum Glück einfach nicht groß genug.
Natürlich wollte ich an diesem Abend auch
nicht Sonja anrufen, sondern ich wollte mich vor der Arbeit unbedingt mit Donna
treffen! Allerdings hatte ich keine Lust auf eine neuerliche Diskussion mit
Corinna, denn für sie hatte sich das Thema mit Pacos Erscheinen erledigt. Bevor
ich das Haus verließ, rief ich Corinna deshalb zu, dass wir uns später im
„Mau-Mau“ träfen. Donna bewohnte immer noch eines der Zimmer in Ramons kleiner
Pension und ich wusste, dass sie vor der Arbeit auch meistens bei ihm zu Abend
aß. Ich hatte Glück und traf sie dort an. Donna bestätigte mir, was auch Paco
gesagt hatte; nämlich dass sie und auch die beiden Schottinnen je 50.000 Peseten
Strafgeld — angeblich für das Arbeiten ohne Arbeitserlaubnis — bezahlt hatten!
Das Ganze war natürlich eine Farce und kein Richter hatte sie dazu verurteilt.
Man hatte sie lediglich vor die Wahl gestellt, entweder bezahlen oder
Abschiebung. Ich fragte mich, wie so eine Abschiebung wohl ablaufen würde und
dachte an Ernie. Donna erzählte mir dann, die Polizisten hätten am Samstagabend
ihren Pass einkassiert. Dann hatten sie ihr ein Ultimatum bis zum nächsten Tag
um 14.00 Uhr gestellt, um 50.000 Peseten aufzutreiben. Pünktlich um 14.00 Uhr,
am nächsten Tag, hatte dann einer der Polizisten, die am Abend zuvor auch bei der
Razzia dabei gewesen waren, an Donnas Zimmertür in der Pension geklopft.
Diesmal allerdings in Zivil. Donna hatte ihm die 50.000 Peseten gegeben und
hatte daraufhin ihren Pass zurückbekommen. Ich schüttelte fassungslos den Kopf.
Was da abgelaufen war, war reine Erpressung!
>>Und warum hast du ihm das
Geld nicht gleich Samstagabend schon gegeben?<<, fragte ich Donna, davon
ausgehend, dass sie ihr Erspartes ebenfalls in ihrem Zimmer versteckte. Nun war
es Donna, die mich fassungslos anstarrte.
>>Du glaubst doch nicht, dass
ich so dumm bin und so viel Geld in meinem Zimmer in der Pension
aufbewahre!<<
>>Ja, wo denn sonst?<<
>>Na, bei der Bank
natürlich!<<
>>Du hast ein Konto bei einer
Bank?<<, rief ich ungläubig und Donna nickte.
>>Ja, warum denn nicht? Nur
weil du ein Ausländer bist, heißt das doch nicht, dass du hier kein Konto
eröffnen kannst! Man nennt das ein Touristenkonto.<<
Verblüfft starrte ich Donna an und
erzählte ihr dann, dass Paco angeblich zu Corinna mal gesagt hatte, dass man
als Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung auch kein Konto in Spanien eröffnen
könnte. Dies war nämlich auch der Grund, warum Paco den Großteil von Corinnas
Erspartem für sie verwahrte, was ich allerdings Donna gegenüber nicht erwähnte.
Irgendwie hatte ich Pacos Behauptung nie in Frage gestellt, aber mein Geld war
auf lange Sicht bestimmt besser auf einem Bankkonto aufgehoben, als in meiner
Winterjacke! Hermann hatte die letzten Nächte wieder bei Corinna geschlafen,
während ich mit Maurice weg gewesen war und ich fragte mich, was Hermann wohl
tun würde, wenn er wüsste, wie viel Geld mittlerweile in meinem Zimmer
versteckt lag. Er würde wohl die Tür zu meinem Zimmer einfach eintreten, dachte
ich vollkommen nüchtern.Ich
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