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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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der Versuchung und erkundigte sich bloß danach, was sie getrunken und gegessen hätten. Als sie über ihr Verhältnis zu Hilary Robarts befragt wurde, sagte sie, sie habe vor Miss Robarts große Achtung gehabt, sie aber als Menschen weder gemocht noch abgelehnt. Beruflich seien sie gut miteinander ausgekommen, doch außerhalb des Werks hätten sie sich, soweit sie sich erinnern könne, nie getroffen. Soviel sie wisse, habe Miss Robarts keine Feinde gehabt. Deswegen könne sie sich nicht vorstellen, wer sie hätte umbringen wollen. Als die Tür hinter ihr zufiel, sagte Rikkards: »Wir werden ihr Alibi selbstverständlich überprüfen. Doch das eilt nicht. Lassen wir diesen Reeves noch eine Stunde zappeln. Ich möchte erst die Leute drannehmen, die mit der Robarts zusammengearbeitet haben.«
    Aber die nächste Stunde brachte ihnen nicht viel ein. Hilary Robarts’ Mitarbeiter waren eher schockiert als bekümmert. Ihre Aussagen bestärkten die Fahnder in ihrer Ansicht, daß Miss Robarts eine Frau gewesen war, die man respektiert, aber nicht besonders sympathisch gefunden hatte. Überdies hatte keiner der Befragten ein einleuchtendes Mordmotiv. Angeblich wußte keiner von ihnen, auf welche Weise der Whistler seine Opfer umgebracht hatte. Und was noch bedeutsamer war: Alle konnten für den Sonntag abend ein Alibi vorweisen. Rikkards hatte es im Grunde nicht anders erwartet.
    Nach einer Stunde ließ er Jonathan Reeves kommen. Dieser betrat das Zimmer mit aschfahlem Gesicht und abgehackten Bewegungen, als sollte er gleich hingerichtet werden. Rikkards war zunächst verdutzt darüber, daß eine so attraktive Frau wie Caroline Amphlett sich einen dermaßen unansehnlichen Bettgefährten ausgesucht hatte. Dabei hatte Jonathan Reeves nicht einmal ein grobschlächtiges Gesicht. Wenn man über die Akne hinwegsah, hätte man es als hausbacken bezeichnen können. Was Rikkards am meisten auffiel, war das Gehabe dieses Menschen – das ständige Blinzeln seiner Augen hinter der Hornbrille, das fahrige, schmatzende Saugen an den Lippen, das jähe, ruckartige Strecken des Halses, wie es manche Komiker im Fernsehen vollführten. Der Liste, die Dr. Mair ihm ausgehändigt hatte, konnte Rikkards entnehmen, daß die Belegschaft des AKWs von Larksoken vorwiegend männlich war. Hatte da die Amphlett keinen ansehnlicheren Mann finden können? Doch erotische Anziehung war nun mal nicht rational zu begründen. Man brauchte nur ihn und Susie anzuschauen. Wer sie beide erstmals sah, war vielleicht gleichermaßen verdutzt.
    Er überließ die eingehende Befragung Sergeant Oliphant, was ein Fehler war. Denn dieser verhielt sich stets am widerwärtigsten, wenn der Verdächtige verängstigt war. Gemächlich und mit gewissem Vergnügen entlockte er Reeves eine Aussage, die insgesamt Caroline Amphletts Bericht bestätigte.
    Nachdem sie Reeves endlich hatten gehen lassen, meinte Sergeant Oliphant: »Er war verstört, als ob er etwas ausgefressen hätte, Sir. Deswegen habe ich ihn mir auch ausgiebig vorgeknöpft. Ich denke, daß er lügt.«
    Typisch für Oliphant, dachte Rikkards, daß er gleich das Schlimmste annimmt, es sogar erhofft.
    »Er muß ja nicht unbedingt lügen, Sergeant«, wehrte er ab.
    »Er war nur eingeschüchtert und verlegen. Es ist schon Pech, wenn die allererste Nacht voller Leidenschaft in einer nicht eben behutsamen Befragung durch die Kripo zerpflückt wird. Aber sein Alibi klingt überzeugend. Zudem haben beide kein ersichtliches Mordmotiv. Und nichts deutet darauf hin, daß die beiden etwas von den widerwärtigen Eigenheiten der Whistler-Morde wußten. Nehmen wir uns also jetzt jemand vor, der dessen Mordweise kannte – Miles Lessingham nämlich.«
    Rikkards hatte Lessingham zum letztenmal am Schauplatz von Christine Baldwins Ermordung gesehen. Als Lessingham am nächsten Vormittag in die Dientststelle der Kripo gekommen war, um sein Aussageprotokoll zu unterzeichnen, war Rikkards selbst nicht anwesend gewesen. Rikkards wußte nur zu gut, daß sich die angestrengte Schnoddrigkeit und Gleichgültigkeit, die dieser Mann am Tatort gezeigt hatte, zum Großteil auf Schock und Ekel zurückführen ließen. Aber er hatte zugleich gespürt, daß Lessingham gegen die Polizei einen Argwohn hegte, der schon an Abneigung grenzte. Das war heutzutage nicht ungewöhnlich, nicht einmal unter Angehörigen der Mittelklasse; vermutlich hatte er dafür seine Gründe. Jedenfalls hatte Rikkards damals so seine Schwierigkeiten mit diesem Menschen

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