Vorsatz und Begierde (German Edition)
Sergeant, sie sehen nur verdauungsfördernd aus.«
»Na ja, hoffentlich sind sie nicht radioaktiv! Setzen Sie den Wasserkessel in Betrieb! Machen wir uns erst mal Kaffee. Wo gibt’s hier Wasser?«
»Miss Amphlett sagte, in der Toilette am Ende des Ganges. Der Wasserkessel ist übrigens voll, Sergeant.«
Sergeant Oliphant testete einen der Stühle. Er rekelte sich, als wollte er ihn auf seinen Sitzkomfort hin prüfen.
»War kalt wie eine Hundeschnauze, nicht? Und gerissen. Viel haben wir nicht aus ihm herausgebracht, Sir.«
»Würde ich nicht sagen, Sergeant. Wir haben von Mair mehr über das Opfer erfahren, als ihm vermutlich bewußt war. Sie war tüchtig, aber nicht beliebt. Mischte sich in Angelegenheiten außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches. Und das wahrscheinlich deswegen, weil sie lieber Wissenschaftlerin geworden wäre als die Leiterin der Verwaltungsabteilung. Sie verhielt sich aggressiv, kompromißlos, ließ Kritik nicht gelten. Sie legte sich mit den Einheimischen an und brachte zuweilen die Werksleitung in Verlegenheit. Und sie war – was immer sie sich davon versprach – die Geliebte des Direktors.«
»Bis vor drei, vier Monaten«, fügte Sergeant Oliphant hinzu.
»Das Techtelmechtel fand ein Ende, ohne daß einer dem anderen gram war. So lautet zumindest Mairs Version.«
»Und ihre werden wir nie erfahren. Eine Sache ist allerdings merkwürdig. Als Mair am Sonntag abend Mr. Dalgliesh begegnete, war er auf der Heimfahrt. Seine Schwester wartete vermutlich schon auf ihn. Aber er hat sie offenbar nicht angerufen. Das ist ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen.«
»Das war der Schock, Sir. Ihm gingen andere Dinge durch den Kopf. Er hatte eben erfahren, daß seine Exgeliebte von einem perversen, psychopathischen Mörder umgebracht worden war. So was verdrängt sämtliche brüderlichen Gefühle und auch den Gedanken an den abendlichen Bettkakao.«
»Mag sein. Ich überlege, ob sich Miss Mair telephonisch nach dem Grund seiner Verspätung erkundigt haben könnte. Dem müssen wir nachgehen.«
»Wenn sie’s nicht getan hat, kann ich mir nur einen Grund denken«, sagte Sergeant Oliphant. »Sie rechnete damit, daß er später kommen würde. Sie nahm an, er sei in Thyme Cottage bei Hilary Robarts.«
»Wenn sie deswegen nicht angerufen hat, konnte sie nicht gewußt haben, daß die Robarts da schon tot war. Nun ja, fangen wir an, Sergeant! Nehmen wir uns zuerst Miss Amphlett vor. Die Assistentin des Chefs weiß zumindest mehr darüber, was in einem Betrieb so alles läuft, als der Chef und alle anderen.«
Doch Caroline Amphlett zog es vor, sämtliche aufschlußreiche Informationen, über die sie vielleicht verfügte, zu verschweigen. Sie setzte sich in den Armsessel mit der selbstbewußten Haltung einer Stellenbewerberin, die sicher ist, daß sie den Job auch bekommt. Sie beantwortete Rikkards’ Fragen besonnen und emotionslos. Erst als er sie über die Beziehung von Hilary Robarts zum Direktor des AKWs auszuhorchen versuchte, gestattete sie sich, eine angeekelte Miene aufzusetzen, als würde sich da jemand mit geradezu ordinärer Neugierde nach Angelegenheiten erkundigen, die ihn nichts angingen. Sie erwiderte abweisend, Dr. Mair habe sie in sein Privatleben nie eingeweiht. Sie gab zu, daß Hilary Robarts die Angewohnheit hatte, abends im Meer zu schwimmen, und das bis in den Herbst hinein, manchmal noch darüber hinaus. Das sei in Larksoken allgemein bekannt gewesen. Miss Robarts sei eben eine geübte und begeisterte Schwimmerin gewesen. Caroline selbst habe vor dem Whistler keine allzu große Angst gehabt, habe sich lediglich etwas vorsichtiger verhalten und es vermieden, abends allein spazierenzugehen. Vom Whistler habe sie nur das gewußt, was in den Zeitungen stand, daß er nämlich seine Opfer erwürgte. Von der Dinnerparty in Martyr’s Cottage am Donnerstag habe sie gewußt; wenn sie sich recht erinnere, habe Miles Lessingham darüber gesprochen. Doch was sich an jenem Abend alles ereignet hatte, habe ihr niemand berichtet. Und sie sehe auch keinen Grund, warum es jemand hätte tun sollen.
Was ihre Tätigkeiten am Sonntag anbelangte, so habe sie den ganzen Abend von 6 Uhr an mit ihrem Freund Jonathan Reeves in ihrem Bungalow verbracht. Sie seien zusammengewesen, bis er gegen halb 11 heimgefahren sei. Sie schaute dabei Sergeant Oliphant herausfordernd an, als wollte sie sehen, ob er es wagen würde, sie zu fragen, was sie denn die ganze Zeit getrieben hätten. Aber er widerstand
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