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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Er warf einen Blick auf das Feuer und sagte stumpf: »Wahrscheinlich haben Sie recht.«
    Neben dem Abfallhaufen lagen ein Spaten und eine verrostete Schaufel. Gemeinsam warfen sie eine Mischung aus Kies und Sand auf die Flammen. Als auch die letzte rote Zunge mit wütendem Zischen erstorben war, machte Pascoe wortlos kehrt und begann den Hang zur Klippe hinaufzuklettern. Dalgliesh folgte ihm. Die Frage, die er gefürchtet hatte – Sind Sie aus einem bestimmten Grund hier? Warum wollen Sie mit mir sprechen? – blieb unausgesprochen und offenbar auch ungedacht.
    Im Caravan warf Pascoe mit einem Tritt die Tür zu und ließ sich schlapp am Tisch niedersinken. »Ein Bier?« erkundigt er sich. »Es gibt auch Tee. Kaffee ist aus.«
    »Vielen Dank, gar nichts.«
    Dalgliesh blieb ruhig sitzen und beobachtete Pascoe, der sich zum Kühlschrank hinübertastete. Wieder am Tisch, öffnete er eine Dose, legte den Kopf zurück und ließ sich das Bier in ununterbrochenem Strom durch die Kehle rinnen. Dann sank er, die Dose immer noch in der Hand, wortlos wieder vornüber. Keiner von beiden sagte etwas, und Dalgliesh hatte das Gefühl, der andere wisse überhaupt nicht mehr, daß er noch da war. Da es im Caravan dunkel war, wirkte Pascoes Gesicht über die breite Tischplatte hinweg wie ein undeutliches Oval, in dem die Augäpfel unnatürlich hell schimmerten. Dann richtete er sich schwankend auf und murmelte irgend etwas von Streichhölzern; wenige Sekunden später war ein Kratzen zu hören, ein Zischen, und seine Hände griffen nach der Öllampe auf dem Tisch. In ihrem allmählich heller werdenden Schein wirkte sein Gesicht unter dem Schmutz und dem Ruß des Rauchs abgespannt und hager, die Augen abgestumpft vor Schmerz. Der Wind schüttelte den Caravan – nicht wuchtig, sondern mit einem gleichmäßigen, sanften Wiegen wie von unsichtbarer Hand. Da die Schiebetür des hinteren Abteils offenstand, sah Dalgliesh auf dem schmalen Bett einen Haufen Frauenkleider, gekrönt mit einem Berg von Tuben, Töpfen und Fläschchen. Davon abgesehen wirkte der Caravan sauber, aber etwas leer, weniger wie ein Heim als wie eine vorübergehende, unzulänglich ausgestattete Bleibe, doch immer noch erfüllt von dem unverwechselbaren Milch- und Fäkalgeruch eines Kleinkindes. Die Abwesenheit von Timmy und seiner toten Mutter beherrschte die Atmosphäre im Caravan genauso wie ihrer beider Gedanken.
    Nach einigen Minuten des Schweigens blickte Pascoe zu ihm auf: »Mit all dem anderen Zeug wollte ich da draußen auch meine PANUP-Unterlagen verbrennen. Das haben Sie sich vermutlich gedacht. Das Ganze hatte ohnehin keinen Sinn. Ich habe die PANUP nur benutzt, weil ich mich wichtig machen wollte. Das haben Sie mir mehr oder weniger damals gesagt, als ich bei Ihnen in der Mühle war.«
    »Habe ich das? Das stand mir nicht zu. Was werden Sie tun?«
    »Nach London gehen und mir einen Job suchen. Die Universität wird mein Stipendium nicht noch einmal um ein Jahr verlängern. Ich kann’s ihnen nicht übelnehmen. Viel lieber würde ich wieder in den Nordosten gehen, aber in London habe ich vermutlich mehr Chancen.«
    »Was für einen Job?«
    »Irgendeinen. Ist mir egal, was ich mache, solange ich Geld verdiene und keinem die Arbeit wegnehme.«
    »Was wird aus Timmy?« erkundigte sich Dalgliesh.
    »Den haben sich die Behörden geholt. Es gibt da irgend so ein Heim. Gestern haben ihn zwei Sozialarbeiterinnen mitgenommen. Ziemlich feinfühlige Frauen, aber er wollte einfach nicht mit. Sie mußten ihn mir laut schreiend aus den Armen reißen. Was für eine Gesellschaft ist das, die einem Kind so etwas antut?«
    »Ich glaube kaum, daß sie eine andere Wahl hatten«, wandte Dalgliesh ein. »Sie müssen langfristig seine Zukunft planen. Schließlich hätte er ja nicht ewig bei Ihnen bleiben können.«
    »Und warum nicht? Über ein Jahr lang habe ich für ihn gesorgt. Dann wäre mir wenigstens etwas aus all diesem Mist geblieben.«
    »Haben Sie Amys Familie gefunden?« wollte Dalgliesh wissen.
    »Dafür war noch nicht genug Zeit, oder? Und wenn sie sie finden, werden sie’s mir bestimmt nicht mitteilen. Timmy hat hier über ein Jahr gelebt, aber ich gelte weniger als die Großeltern, die er noch nie gesehen hat und die sich vermutlich einen Dreck um ihn kümmern.«
    Er hielt noch immer die leere Bierdose in der Hand. Jetzt begann er sie langsam zu drehen, während er sagte: »Was mich wirklich fertigmacht, ist dieser Betrug. Ich dachte, das alles ist ihr wichtig.

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