Vorsicht, frisch verliebt
sie morgen mit der Neuerfindung ihrer Karriere begann.
Allmählich wurde es dunkel, und so ging sie zurück ins Haus, wurde dort von köstlichem Essensduft begrüßt und betrat genau in dem Moment die Küche, als Marta sie verließ. Zusammen mit einer Schale aromatischer Suppe und einem Glas von Isabels Chianti, einer mit dunklen, runzligen Oliven garnierten, geschnittenen Tomate und ein paar Scheiben knusprig frischen Brots auf einem mit einer schneeweißen Leinenserviette geschmückten Tablett. Isabel seufzte. Sie sollte endlich selber kochen lernen, dachte sie betrübt.
In dieser Nacht schlief sie wie eine Tote, und als sie am nächsten Tag statt wie geplant um sechs erst gegen acht erwachte, sprang sie hastig aus dem Bett und lief ins Bad. Jetzt müsste sie die Gebete und die Meditation verkürzen, sonst käme sie vollends mit ihren Terminen in Verzug. Sie drehte den Hahn auf, um sich das Gesicht zu waschen, doch das Wasser wurde auch nach minutenlangem Warten nicht warm. Also lief sie hinunter in die Küche, doch auch dort lief lediglich kaltes Wasser. Als sie schließlich Marta suchte, um sich bei ihr über das Fehlen des heißen Wassers zu beschweren, war sie nicht zu finden.
Am Ende kramte sie die Karte heraus, die Giulia Chiara ihr am Vortag gegeben hatte, und rief bei ihr an.
»Ja, ja«, meinte Giulia, als Isabel ihr das Problem erklärte. »Es wird schwierig für Sie, dort zu wohnen, während so viele Arbeiten verrichtet werden müssen. In dem Haus im Ort brauchen Sie sich keine Gedanken darüber zu machen, dass etwas nicht funktioniert.«
»Ich bleibe hier«, sagte Isabel entschlossen. »Das habe ich gestern auch ... dem Besitzer schon erklärt. Würden Sie also bitte veranlassen, dass das heiße Wasser so bald wie möglich wieder funktioniert?«
»Ich werde sehen, was ich tun kann.« Doch Giulia war deutlich anzuhören, wie ungern sie das tat.
In Casalleone gab es eine alte römische Mauer, eine Kirchenglocke, die halbstündig schlug, und jede Menge Kinder. Sie tobten auf den Spielplätzen und sprangen neben ihren Müttern in dem Dorflabyrinth aus schmalen Kopfsteinpflasterstraßen herum. Isabel zog Giulias Karte aus der Tasche und verglich die dort angegebene Adresse mit dem Schild, vor dem sie stand. Die Straßennamen wiesen zwar Ähnlichkeit auf, aber sie war hier eindeutig falsch.
Seit ihrem Telefongespräch mit Giulia Chiara war ein Tag vergangen, und nach wie vor war das Wasser kalt. Sie hatte auch bei Anna Vesto angerufen, doch die hatte so getan, als verstünde sie kein Englisch, und Marta hatte das Problem anscheinend überhaupt noch nicht bemerkt.
Eigentlich sollte Isabel jetzt schreiben, doch das Wasserthema lenkte sie zu sehr ab. Außerdem fiel ihr kein Buchthema ein. Obgleich sie für gewöhnlich sehr diszipliniert war, war sie auch heute Morgen später aufgestanden, hatte nicht meditiert, und das Einzige, was sie bisher geschrieben hatte, waren Karten an Freunde und Bekannte.
Sie näherte sich einer jungen Frau, die, ein Kleinkind an der Hand, die kleine Piazza des Örtchens überquerte. »Scusi, signora.« Sie zeigte ihr Giulias Karte. »Können Sie mir sagen, wo die Via San Lino ist?«
Die Frau nahm das Kind auf den Arm und hastete davon.
»Tja, Entschuldigung.« Stirnrunzelnd wandte sich Isabel an einen Mann mittleren Alters in einem mit Flicken auf den Ellbogen versehenen, etwas verschlissenen, dreiviertellangen Mantel. » Scusi, signore. Ich suche die Via San Lino.«
Er nahm Giulias Karte, studierte sie einen Moment, studierte dann auch Isabel, steckte die Karte in die Tasche und stürmte fluchend davon.
»Hey!«
Der nächste Mensch reagierte auf die Frage nach der Via San Lino mit einem »nonparlo inglese«› dann jedoch bot ihr ein untersetzter junger Mann in einem gelben T-Shirt seine Hilfe an. Unglücklicherweise war die Beschreibung, die er gab, derart kompliziert, dass sie schließlich am Ende einer Sackgasse vor einer verlassenen Lagerhalle stand.
Sie beschloss, den Laden mit der freundlichen Verkäuferin zu suchen, in dem sie am Vortag gewesen war. Auf dem Weg zurück zur Piazza kam sie an einem Schuhgeschäft vorbei sowie an einer kleinen Parfümerie. Spitzenvorhänge hingen in den Fenstern der Häuser, und über ihrem Kopf waren zahllose Wäscheleinen gespannt. »Italienische Trockner«, hatte der Reiseführer die Plastikschnüre genannt. Strom war derart teuer, dass es selten elektrische Wäschetrockner gab.
Ihre Nase führte sie in eine winzige Bäckerei,
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