Vorsicht Nachsicht (German Edition)
wenn ich heute Abend heimkomme und überhaupt...«
Ich weiß immer noch nicht, was ich sagen soll. Es kommt mir vor, wie ein riesiger Vertrauensbeweis und ein noch größerer Schritt in unserer Beziehung.
»Danke.«
Darauf schweigt auch Kilian. Er lässt mich aber auch nicht los und streichelt über meinen Rücken. Als ich mich schließlich von allein lösen will, drückt er mich noch fester an sich. Anscheinend hat er nicht vor, mich gehen zu lassen.
»Ich habe am Sonntag mit Jeremy telefoniert.«
»Oh.« Das sollte mich vermutlich für ihn freuen. Immerhin sind die beiden enge Freunde… Aber ich kann schwer Freude heucheln, wenn mich der Typ nicht ausstehen kann und Kilian davon überzeugen will, sich von mir zu trennen.
»Er ist jetzt schon über einen Monat in Berlin und ich habe ihn nicht besucht. Er hat die Wohnung fertig eingerichtet.«
»Wann?«, frage ich, um die Sache abzukürzen. Offensichtlich will er ihn besuchen, da muss er gar keine Begründung suchen. Es ist Jeremy. Das kann ich ihm schlecht verbieten.
»Schon morgen. Ich wollte es dir gestern schon sagen, aber… Irgendwie bin ich davon abgekommen.«
Ich blinzle. Am Mittwoch? Aber das ist doch irgendwie unser Tag. Der Tag, wo ich nach der Arbeit zu ihm komme, dusche und dann früh mit ihm schlafen gehe. Ich hatte mich irgendwie schon so darauf eingestellt, dass ich nun mehr als nur enttäuscht bin. Außerdem will ich nicht, dass er Jeremy besucht. Der wird wieder gegen mich stänkern. Darüber hinaus schmälert es den Wohnungsschlüssel: Er hat gewusst, dass er zu Jeremy fährt, als er ihn hat machen lassen.
Ich bin kurz geneigt, es als Beschwichtigungsversuch zu werten. Vielleicht will er mich damit einlullen und Vertrauen vortäuschen, während er zu Jeremy fährt, um alte Zeiten aufleben zu lassen. Okay, es ist nicht fair, so etwas zu denken.
»Ich arbeite nur den Vormittag«, erklärt er. »Und fahre dann gleich am Nachmittag hin. Bleibe nur den Abend und fahr noch in der Nacht zurück. Ich wollte nicht am Wochenende fahren. Das wollte ich lieber mit dir verbringen.«
»Dann sehen wir uns die ganze Woche nicht richtig«, stelle ich fest. Schlüssel oder nicht, heute Abend wird er müde sein und ich auch, morgen ist er in Berlin, übermorgen hat er Bandprobe und Freitag wird er noch einmal die Sendung machen.
»Doch, deshalb habe ich dir doch den Schlüssel gegeben. Und ich dachte, du kommst Donnerstag mit zur Bandprobe…«
Toll, dann sehen wir uns zum Ficken und ich werde seinen restlichen Freunden vorgestellt, die mich auch nicht mögen werden. Ich löse mich endgültig aus seinen Armen. Ich fühle mich mit diesen Gedanken nicht mehr wohl dabei, ihm körperlich so nahe zu sein. Die sind zwar wirklich unfair – aber ich bin so enttäuscht.
»Bist du sauer?«, erkundigt er sich und greift nach meinem Arm.
Ich schüttle nur den Kopf, löse mich aus seinem Griff und logge mich aus dem Mailprogramm aus.
»Aber?«, hakt er nach, versucht aber nicht noch einmal nach mir zu greifen.
Während ich den Blick auf den Bildschirm richte, suche ich nach den richtigen Worten. »Nicht glücklich.«
»Nicht glücklich?«, wiederholt er widerstrebend. »Eben warst du es doch noch. Es ist doch nur ein Abend, Ruben, ich… Es ist wegen Jeremy, oder?«
»Er mag mich nicht.«
»Er kennt dich nicht«, widerspricht Kilian.
»Will mich nicht kennenlernen«, entgegne ich, um dagegen zu halten.
»Das weißt du doch gar nicht. Vielleicht kann ich ihn ja besänftigen.«
»Es ist dir wichtig, dass er mich mag«, stelle ich fest.
»Natürlich. Jeremy ist…«
»Dir wichtig.«
»Worauf willst du eigentlich hinaus, Ruben?«, erkundigt er sich allmählich ungeduldig. »Natürlich ist mir Jeremy wichtig, aber das hat doch gar nichts mit uns zu tun. Das mit Jeremy ist lange vorbei. Du denkst doch nicht, dass…« Er zögert und sieht mich dann empört an. »Doch, dass denkst du, oder? Dass ich mit ihm ins Bett hüpfe?«
»Nein«, versichere ich schnell.
»Was dann ?! Erleuchte mich Ruben! Ich kann nicht in deinen Kopf gucken. Du machst es mir verdammt schwer. Ich habe keine Ahnung, was gerade in dir vorgeht!«
Ich schlucke. Vielleicht sollte ich es ihm sagen. Aber es sind keine Gedanken, zu denen ich wirklich stehen möchte. Sie sind da, aber ich will sie nicht haben. Also schüttle ich nur den Kopf und sage das Erste, was mir in den Sinn kommt. Etwas, dass ich oft zu meinem Vater gesagt habe, wenn ich mich in die Ecke gedrängt gefühlt
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