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Vorsicht Nachsicht (German Edition)

Vorsicht Nachsicht (German Edition)

Titel: Vorsicht Nachsicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. C. Lelis
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grün und feucht glänzend an ihren Ästen.
    Ein morgendlicher Spaziergänger führt seinen Hund aus. Den Kopf gesenkt, schlurft der ältere Mann durch den Park. Der Hund schnüffelt an dem runden Stamm einer prächtigen Kastanie. Er hebt das kurze Bein und markiert sein Revier, während der Mann gähnend stehen bleibt und wartet.
    Ich mag die Stadt, wenn sie noch so verschlafen ist. Stille Trägheit. Unaufdringliche Ruhe. Zwischen all den vielen Menschen kann man doch ein bisschen für sich sein. Und alle lassen einen in Frieden. Wunderbar.
    Ich lasse den Mann und seinen Hund hinter mir.
    Der Kies knirscht unter meinen Füßen. Ich fühle mich angenehm gefordert, lebendig und gesund. Der gesamte Körper erwacht, lebt – nur das Hirn, das darf noch ein bisschen ruhen. Ja, ich genieße diese herrliche Leere in meinem Kopf. Diese halbe Stunde am frühen Morgen ist die einzige gedankenlose Zeit, die ich mir gönne. Dreißig Minuten in denen man nicht überlegen, zweifeln, kalkulieren und hinterfragen muss. Dreißig Minuten, ohne Cleverness, Vernunft, Kreativität und Überlegenheit.
    Wieder geht es vorbei am Friedhof, der Kirche, dem Kindergarten und der Schule.
    Wie jeden Morgen begegnet mir ein Mann mit Aktentasche. Wie jeden Morgen nicken wir uns kurz zu. Wie jeden Morgen schauen wir uns dabei nicht ins Gesicht.
    Ist es nicht seltsam? Täglich trifft man sich auf der Straße und trotzdem schaut man nicht wirklich hin. Lustig oder traurig?
    Ich werde langsamer. Sofort spüre ich die Wärme in meinen Muskeln. Die Lungen blähen sich auf, saugen den Sauerstoff ein. Das Herz pumpt. Mein Gesicht und die Hände sind nass vom Regen. Auch der Stoff der Sweatshirtjacke ist feucht. Tief ausatmend streiche ich mir eine dunkelbraune Haarsträhne aus der Stirn.
    Am Hauseingang treffe ich auf eine Nachbarin. Sie wohnt ein Stockwerk unter mir. Eine Frau mittleren Alters. Kettenraucherin. Auch jetzt hat sie eine Zigarette im Mundwinkel. Wenn sie durch das Treppenhaus schleicht, stinkt es noch eine halbe Stunde später nach kaltem Rauch und schlechtem Atem. Sie hat ungepflegtes Haar und trägt ständig einen abgenutzten, alten Morgenmantel. Mit verbissener Miene fummelt sie an ihrem Briefkasten herum. Sie hat irgendein widerliches Boulevardblatt abonniert. Kurz sieht sie mich an. Ein böser, hämischer Blick aus blutunterlaufenen Augen. Sie grüßt mich nicht. Die meisten Leute aus dem Haus grüßen mich nicht. Man will nichts mit mir zu tun haben. Ich bin eine Schwuchtel, ein Homo, eine Tucke, ein Schwanzlutscher, Warmduscher, Arschficker, ach, es gibt so viele  charmante Bezeichnungen, die man jemandem wie mir hinterher rufen kann.
    Ich finde es fast schon amüsant, von einem Haufen alter, arbeitsloser Biedermänner ohne Ausbildung und Niveau diskriminiert zu werden.
    Natürlich könnte ich mich über diese maßlosen Unverschämtheiten, falschen Vorurteile und miesen Verleumdungen aufregen. Recht dazu hätte ich allemal. Aber ich tue es nicht. Vielleicht bin ich zu alt, um dem inneren Drang nach Gleichberechtigung und Akzeptanz nachzugeben. Vielleicht zu klug. Aber ich denke, die Wahrheit ist, dass ich einfach keine Zeit und keine Lust habe, um mich intensiv mit meinen beschränkten Nachbarn zu beschäftigen und Demoplakate für die Rechte der homosexuellen Gemeinschaft zu malen. Meine Freunde bezeichnen mich manchmal als illoyal. Ich nenne sie im Gegenzug naiv.
    Mit angehaltenem Atem gehe ich an der Alten vorbei. Schnell sind die Stufen zu meiner Wohnung erklommen. Warum ich immer noch in diesem Haus wohne, werde ich öfters gefragt. Weil es bequem ist, gebe ich dann immer zu. Es ist billig und sehr zentral. Die Wohngegend ist ruhig, einigermaßen sauber und sicher. Die Verkehrsanbindungen sind ideal. Ich bin in einer halben Stunde auf dem Land bei meinen Eltern und in fünfzehn Minuten in der Stadt, wo ich arbeite.
    Was will man mehr?
    »… und nun der sommerliche Gute-Laune-Hit von Großbritanniens neuem Superstar…« Der Radiomann hat immer noch gute Laune. Mit beschwingter Stimme sagt er einen Pophit nach dem anderen an.
    Ich streife mir die Laufschuhe von den Füßen und verstaue sie ordentlich in ihrem Fach im Schuhschrank. Die durchweichte Jacke hänge ich zum Trocknen auf. Meine restlichen Klamotten wandern in den Wäschekorb. Nackt betrete ich das winzige Badezimmer und steige unter die Dusche. 
    Ich bin kein eitler Mann. Stunden im Bad und vor dem Spiegel zu verbringen, liegt mir fern. Für Eigenlob und

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