Vorsicht, Zickenzone
Einmal hatte mein Sohn einen. Nachts. Ich allein. Ich rief die 112. Ein Krankenwagen brachte uns in die Klinik. Dort erhielt ich ein Zimmer, das ich mir wegen Ãberbelegung mit einer anderen Mutter und deren Kind teilen musste. Zusätzlich einen mehrtägigen Einführungskurs in Sachen Stesolid-Turbo (ein krampflösendes Mittel), Wadenwickel, Fieberzäpfchen und -säfte. Nach der Demonstration der Stesolid-Rektallösung durch eine Ãrztin übernahm in der folgenden Nacht eine erfahrene Krankenschwester die der konventionellen Mittel. Wir verabreichten meinem Kind ein Zäpfchen und maÃen in regelmäÃigen Abständen die Temperatur. Dann kamen die Wadenwickel und das gleiche Procedere (armer David! Er hasst heute Fieberthermometer). Nur lieà sich das Fieber nicht überzeugend senken. Also erhielt er zum Schluss â nachdem wieder mal sechs Stunden um waren und das Fieber immer noch auf 40 Grad rumturnte â einen Saft. Nach weiteren drei Tagen war das Fieber Geschichte, wir konnten nach Hause (war im übrigen kein Drei-Tage-Fieber, das hatten wir schon).
Von dem Zeitpunkt an empfand ich kolossalen Respekt vor »Temperatur«. Brachte die Kinderfrau David aufgekratzt und mit roten Wangen vom Spielplatz nach Hause, ging in meinem Kopf ein »Code-Red«-Schalter an: Alarm! Eine Mutter mit Wochenendbeziehung (unter der Woche also allein mit den Kindern â und dem Monster Fieber) sagte mal, sie würde hysterisch werden, wenn sie merkte, dass eines ihrer Kinder abends Fieber bekäme. Mir ging es nun ähnlich â und damit war ich ein gefundenes Fressen für erfahrene Mütter. Rückblickend kann ich darüber nur ungläubig den Kopf schütteln. Sie können sich nicht vorstellen, was sich bei uns so alles an Fiebermittelchen ansammelte. Neben Paracetamol-Torpedos, Nurofen-Saft, Stesolid-Lösung, Viburcol-Zäpfchen und Globuli sogar essigsaure Tonerde. Letztere, um »Patscherl« zu machen, wie meine Südtiroler Aushilfskinderfrau es nannte. Für sie, eine couragierte Mittsechzigerin mit roter Mähne, groÃem Herz und einer Vorliebe für Gewaltwanderungen durch Münchner Parks, war Natürlichkeit Trumpf. So zeigte sie mir, als David wieder einmal fieberte, wie man mit essigsauerer Tonerde Socken tränkt und diese dann zur Bekämpfung des Fiebers dem Kind über die FüÃe zieht. Ich war zu sehr Jung-Mutter, um mich mit: »Nein, ich nehm Zäpfchen, das passt!« zu behaupten. Das schaffte ich damals noch nicht.
Folglich machte ich auch einen Abstecher in die Homöopathie (man bekommt ja so viele gute Tipps, selbst von Frauen und Freundinnen, die gar keine Kinder haben!) Der guruartige Experte in Weià bat nach der Anamnese nur noch telefonisch zur Sprechstunde. Auf meine Zweifel an der Wirkung von Viburcol und dem Ratschlag der Kinderärztin, wegen des Krampfs ab 39,5 Fieber Paracetamol zu geben, meinte er nur: »Manche Mütter halten Fieber über 40 Grad über Tage aus« und empfahl mir ein Buch. Dort sollte ich die Erfahrungen von Müttern zu verschiedensten Fieberverläufen nachlesen. Ich fand mich da nicht wieder, mochte seine despotische Art nicht und die Höhe seiner Leistungen. Also: Auf-nimmer-Wiederhören! Heute ist das Nachschlagewerk bei Ebay verscherbelt, die Viburcol-Zäpfchen, Globuli und Tonerde mitsamt den vielen guten Tipps ausgemustert.
Klar, wenn du über deine Sorgen klagst, bekommst du Ratschläge. Auch wenn du deinen eigenen Weg finden musst. Wobei ich manchmal, wenn mein Sohn wieder Fieber hatte, geschwächt durch Müdigkeit und der bangen Frage »Wie soll ich heute meinen Tag stemmen?« glaubte, gar nichts mehr geregelt zu bekommen. Und warum? Weil zu viele Menschen ungefragt mitkaspern wollten als edle Ritter hoch zu Ross.
Ehe ich mich versah, vergaloppierte ich mich selbst. Als Journalistin und Ratgeberautorin bin ich eine Frau des »Benefits«. Eine, die â lachen Sie nicht â gerne Tipps gibt. Und die gab ich auch unserer Nachbarin. Nachdem ich das Thema »Fieber« nach drei Jahren langsam in den Griff bekommen hatte, wollte ich der frischgebackenen Mutter mein Know-how gerne weitergeben. Kaum hatte sie mir die wichtigsten Fakten über Geburt, Gewicht und GröÃe von Felix mitgeteilt, erklärte ich ihr auch schon, was bei Fieber zu tun wäre. Dieses Leid und diese Odyssee wollte ich ihr â es gut meinend â ersparen.
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