Vorsicht, Zickenzone
Komisch nur, dass sie in den nächsten Wochen und Monaten, wenn sie mich im Flur oder im Hof sah, schnell das Weite suchte. Ob das wohl tatsächlich an meinem Fieber-Monolog lag oder daran, dass sie keine Zeit und Lust zu reden hatte? Ich sollte sie mal fragen.
Kann es im Ãbrigen eigentlich sein, dass Anleiten und es Gut-Meinen in unseren weiblichen Genen steckt? Wie eine Gebetsmühle leiern wir unseren Kindern vor, was sie zu tun und zu lassen haben. Manchmal geschieht das fast ohne nachzudenken, wie ich im Wartezimmer des Logopäden meines Sohnes beobachten konnte: Ich hörte die Spülung rauschen. Kurz darauf erschien ein Sechsjähriger auf der Bildfläche, den seine Mutter â eine aufrecht sitzende Mittvierzigerin, ungeschminkt, mit Batiktuch â völlig ungeniert fragte: »Hast du auch dreimal?«
»Mama, ich war nicht groÃ.«
»Hast du dir die Hände gewaschen?«
»Ja, ja, ja.«
»Sprich nicht so laut und störe Herrn Schirnhammer nicht.«
Wie früh solches Verhalten weitergegeben wird, zeigt folgendes Beispiel: »Seife. Du musst Seife nehmen«, leitete mich das zarte Stimmchen einer Vierjährigen an, als ich mir auf der Toilette eines Sushi-Restaurants die Hände wusch; im Hintergrund wickelte ihre Mutter die kleinere Schwester.
Seit ich selbst die Gutmeinerin in mir erkannt habe, bin ich vorsichtiger geworden. Ich nehme nicht mehr die GieÃkanne mit den Tipps und trichtere munter los. Auch der ganz spezielle Tipp bleibt im Ãrmel. Also weg vom Ãberstülpen, Zutexten, Besserwissen hin zum Wenn-du-mal-einen-Brauchst. Das geht gut und macht entspannter. Viele Mütter â wie ich auch â wollen sich oftmals einfach nur auskotzen. Sie wollen ein Ohr, interessierte Fragen von der Gegenseite, aber keinen Tipp! Egal, ob sie Probleme mit dem Durchschlafen ihres Nachwuchses haben, mit häufig wiederkehrenden Infekten, mit Mittelohrentzündungen, mit Neurodermitis oder Lebensmittelunverträglichkeiten. Dazu gibt es eine Vielzahl an Mittel und Lösungen. Selten allerdings angemessen dargereicht!
Doch auch Zurückhaltung ist nicht immer der Königsweg. Ich erinnere mich an eine Situation, als ich das zweite Mal mit meinem Sohn nach Mallorca flog. Neben mir ein Paar. Die Frau schwanger. Kurz nach dem Start gab ich meinem Zweijährigen, der auf meinem Schoss saÃ, zu trinken, danach schnorchelte er selig weg. Andere Kinder weinten und schrien. Er schlummerte süà an meiner Schulter. Der werdende Vater neben mir war beeindruckt. Ob ein Zaubertrank in der Flasche war, wollte er wissen. »Am Tee lagâs nicht, sondern am Timing«, lieà ich ihn wissen. »Das Nuckeln neutralisiert den Druck auf die Ohren, die biologische Uhr aber lässt die Ãuglein schwer werden. Daher die Mittagsmaschine«.
Seine Frau lieà das kalt. Sie berichtete ihrem Schatz stattdessen von einer gemeinsamen Freundin: »Mit ihren drei kleinen Kindern flog Anne alleine nach Neuseeland. Das musst du dir mal vorstellen!«
Drei und Langstrecke â dagegen ist ein Kind in Schach zu halten natürlich Pippifax! Tja, diesen Punkt sollte ich nicht einsacken ...
Völlig durch den Wind
H aben Sie schon mal die Wohnungsschlüssel zusammen mit der Tüte Obst im Kühlschrank deponiert? Zweimal in einer Woche bei der Polizei nachgefragt, ob ihr Auto abgeschleppt wurde, und Ihre Kaffeetasse im Bad neben dem Zahnputzbecher entdeckt? Ich schon. Weil ich völlig verpeilt bin? Nicht wirklich. Doch es gibt Phasen im Leben einer Mutter, in denen man einfach durch den Wind ist. Weit entfernt vom Alltag und was so um einen herum passiert. Wie ferngesteuert. Das weià man â wenn überhaupt â nur selbst, und entsprechend entrückt weht man morgens in den Kindergarten, vergisst Kleinigkeiten, wandelt auf der StraÃe, steht sinnentleert an der Rutsche oder an der Kasse im Supermarkt. »Huhu, erkennt die einen nicht?«, fragen sich Vorbeiziehende. Nein! Man ist mit seinen Gedanken ja ganz woanders. Der Kopf brabbelt. Doch das mutmaÃen die allerwenigsten. Obwohl jede Mutter diese Momente völligen Entrücktseins vermutlich kennt. Schuld daran sind durchwachte Nächte, zahnender Nachwuchs, lose Enden aus dem Job oder einfach familiäre Probleme.
Statt das aber als Stress-Amnesie abzutun, gilt man schnell als »arrogant«, als »desinteressiert«, als »Zicke«. Wer Pech hat und auf ein
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