Vorstadtprinzessin
ging.
Irgendwas irritierte ihn an Gila Lichtgrün.
Theos Mutter hatte die Tüte mit den grünen Bohnen auf dem Tresen ausgeleert und war dabei, die Schoten an den Enden abzuschneiden, als sie glaubte, eine Bewegung hinter Ellerbeks Fenster zu sehen.
Die Gardine im Wohnzimmer bewegte sich.
Wer hatte noch einen Schlüssel außer Gerd? Der Bestatter. Sie erinnerte sich, dass er den an Ellerbeks Todestag an sich genommen hatte. Doch was sollte er dort drüben in aller Heimlichkeit? Er wäre doch sicher mit seinem Wagen vorgefahren.
War Theo durch die Kellertür ins Haus geschlichen?
Gesa Ansorge hätte sich fast mit dem kleinen scharfen Küchenmesser geschnitten. Jan Ellerbek war ihr eingefallen. Konnte er es sein?
»Spinnt ihr?«, fragte Theo.
»Lenis Idee«, sagte Lucky.
»Rede ihr das aus. Warum will sie mich dabeihaben?«
»Weil Leni mal wieder überhaupt nicht ahnt, dass sie dich verletzt hat. Kommst du denn mit, wenn wir uns nicht in Ellerbeks Haus treffen?«
»Ins Tre Castagne«, sagte Theo, »nicht ins Lichtgrün.«
»Kannst du die Wirtin jetzt auch nicht mehr leiden?«
»Hast du gewusst, dass Lichtgrün ihr Name ist?«
»Nein«, sagte Lucky, »ist das schlimm? Was habt ihr auf einmal alle? Leni zickt auch ihretwegen rum.«
»Ich habe die Wirtin bei Budni getroffen und ihr dabei geholfen, eine neue Haarfarbe auszuwählen. Sie fragte mich, ob Jan Ellerbek aufgekreuzt wäre. Sie war mal seine Freundin.«
»Ich dachte, er sei schwer gestört gewesen und habe kleine Jungs im Wald vergraben.«
»Mit vierzehn. Mit achtzehn ist er mit Gila Lichtgrün gegangen.«
»Gila Lichtgrün.« Lucky grinste. Theo hörte es durchs Telefon. »Ich kann sie ganz gut leiden. Was hast du ihr denn empfohlen? Schlammfarben? Das schont die Augen.«
»Kastanie«, sagte Theo.
»Bei Sigi hängen sie schon an den Bäumen. Dabei ist erst August. Bin eben dran vorbeigekommen«, sagte Lucky. »Kannst du dich erinnern, dass da eine Kastanie im Wald lag? An dem Tag, als die erste Tote entdeckt wurde? Dabei gibt es gar keine Kastanienbäume im Wald.«
»War ja auch nur eine«, sagte Theo, »die kann jemandem aus der Tasche gefallen sein.«
»Vielleicht dem Mörder«, mutmaßte Lucky.
»Mein Vater hebt jedes Jahr eine auf und steckt sie in seine Tasche. Bis zum nächsten September. Das schützt angeblich vor Rheuma.«
»Dein Vater wird wohl kaum der Mörder sein«, sagte Lucky. »Was ist denn nun mit Lenis Abschiedsfete? Montag fährt sie schon.«
»Dann bleibt ja nur morgen. Den Sonntag will sie doch sicher mit ihrem Paps verbringen.«
»Du bist also dabei.«
»Nicht in Ellerbeks Haus.«
»Ich muss Schluss machen«, sagte Lucky. »Meine Mutter ist nach Hause gekommen und will aufgebaut werden.«
Sie legten auf und Theo ging zu Ma in die Küche hinunter.
Birnen, Bohnen und Speck. Pas Lieblingsessen. Vielleicht eine Versöhnungsgeste von Ma. Doch er war noch nicht da, obwohl er an Freitagen eigentlich schon am späten Nachmittag aus dem Amt kam.
Ma saß am Küchentisch und hatte ein Glas Wein vor sich stehen.
»Warst du noch mal in Ellerbeks Haus?«, fragte sie.
»Wie kommst du darauf?« Erst einmal Zeit gewinnen, um darüber nachzudenken, was er zugeben wollte.
»Wo dein Vater nur bleibt. Er wird doch nicht wieder drüben sitzen.«
»Hast du eine Ahnung, wo er den Schlüssel aufbewahrt?«, fragte Theo.
»Ich weiß, dass er ein Holzkästchen im Nachttisch hat. Da ist eine Locke von deiner Schwester drin und Kalenderblätter vom Tag eurer Geburt.«
»Darf ich gucken, ob der Schlüssel dort ist?«, fragte Theo.
Theos Mutter zögerte. »Ich gucke nach«, sagte sie.
Eine Minute später war sie schon wieder unten. Der Schlüssel lag im Kästchen.
»Als ich vorhin aus dem Küchenfenster gesehen habe«, sagte sie, »da hat sich bei Ellerbek die Gardine bewegt.«
»Ich war es nicht«, sagte Theo. »Ich hab die ganze Zeit in meinem Zimmer gesessen und mit Lucky telefoniert.« Vielleicht sollte er Ma anvertrauen, dass die kleine alte Pendeluhr fehlte. Doch dann käme sie wieder auf die Botin des Todes.
»Ich war einmal drüben«, sagte Theo. »Die Pendeluhr ist nicht mehr da. An der Stelle hängt jetzt eine Zeichnung von der Kirche.«
»Die Botin des Todes«, sagte Ma.
»Ellerbek hatte einfach vergessen, die Uhr aufzuziehen«, sagte Theo.
»Wer kann sie genommen haben?« Ma setzte sich an den Tisch und griff zu dem Glas, das in ihrer Hand zitterte. Warum war sie so nervös? Das Geheimnis war gelüftet. Das mit
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