Vorstadtprinzessin
ergriff.
Leni setzte sich an ihren Schreibtisch. Paps eine Nachricht schreiben. Auf die kleine Empire Kommode legen. Die Nachricht würde er erst finden, wenn sie schon bei Maman in Gassin war. Ihr Flug nach Nizza ging am Mittag. Da saß Paps in den Konferenzen. Das Taxi konnte sie mit seiner Kreditkarte bezahlen. Hoffentlich störte die Hansen nicht zu sehr bei dieser Abreise.
»Weißt du, was ich fürchte?«, hatte Lucky gesagt. »Dass du Leni wirklich liebst.« Theo saß in seinem Fenster und betrachtete die zwei Sterne, die am Hamburger Nachthimmel standen. Venus und Mars.
Die Wolken hatten sich verzogen. Doch es blieb kühl.
Sonntagabend. Ma und Pa saßen noch vor dem Fernseher und sahen sich einen französischen Spielfilm an. Ungewöhnlich für seinen Vater. Vielleicht war das sein Dank für Birnen, Bohnen und Speck.
Er liebte Leni wirklich. Jedenfalls dachte er dauernd an sie. Wenigstens hatte Lucky keine großen Gefühle an Leni verschenkt. War doch gut, wenn einer von ihnen einen klaren Kopf behielt.
Bewegte Gardinen bei Ellerbek hatte Ma gesehen. Theo blickte zum Haus hinüber. Alles war dunkel. Wie hatte Leni es genannt? Geisterhaus. Fünfzig Jahre hatte Ellerbek in diesem Haus gelebt. Eine Familie gehabt. Freude und Sorgen. Das hatte er nicht verdient, dass sein Haus nun ein Geisterhaus wurde.
Warum liebte er Leni? Ihrer Schönheit wegen? Sie war so anders als er. Gab vor, keine Ziele zu haben, und lachte Gefühle weg. Wahrscheinlich hatte sie von Shakespeares Sonetten noch nie gehört.
So long as men can breathe or eyes can see. So long lives this and this gives life to thee. Theo liebte diese Sammlung von Gedichten.
War es sonst nicht umgekehrt und die Mädchen liebten Gedichte?
Vielleicht hatte er die Seele seiner toten Schwester in sich.
Von irgendwo schlug es zwölf Uhr. Ellerbeks alte kleine Pendeluhr konnte es nicht sein und auch die Kirchenglocke schlug nicht so spät.
Theo sah ein Taxi halten. Tanja stieg aus. Ihre hellblonden Haare wurden von der Straßenlaterne angeleuchtet, unter der sie stand, bevor sie in das Nachbarhaus hineinging.
Nein. Tanja hatte nur sehr entfernt Ähnlichkeit mit Leni.
Unterwegs
L enis Vater hatte die Tür zu Lenis Zimmer leise geöffnet und sie tief schlafend in ihrem Bett liegen sehen. Einen Augenblick lang sorgte er sich, dass sie keinen natürlichen Schlaf schlief. Doch Leni lag ruhig atmend da. Ihr Gesicht war rosig. Sie lächelte im Schlaf.
Lenchen, dachte er, ich hab dich doch so lieb.
Er legte einen Zettel auf die Empire Kommode, dass er am Abend spät käme, sich aber darauf freue, morgen mit Leni zu frühstücken.
Dann endlich konnte er mit ihr über das Internat sprechen.
Zeit haben für Leni, dachte er, als er um halb acht das Haus verließ und in den Jaguar stieg. Als er unten im Ort ankam, fiel ihm ein, dass er auch der Haushälterin einen Zettel hatte hinlegen wollen, um sie zu bitten, geduldiger mit Leni zu sein. Anfangs war es ganz gut gegangen zwischen Leni und ihr. Auch noch eine Baustelle, an der er zu arbeiten hatte. Erst mal heute diesen Vertragsabschluss retten.
Dieses ungute Gefühl, das ihn seit Juni begleitete. Dass Leni in Gefahr war. Sie hatte gelacht, als er fragte, ob sie Drogen nähme.
»Das glaubst du doch nicht wirklich, Paps. Dafür lege ich viel zu viel Wert auf mein Aussehen. Ich will doch kein Junkie werden.«
War das eine zufriedenstellende Antwort gewesen? Er hatte sich damit zufriedengegeben. Weil das Telefon klingelte. Weil die Geschäfte riefen. Er war kein besessener Geschäftsmann, auch wenn das auf den ersten Blick so schien. Doch als er Helène begegnete, Lenis Mutter, da war er in den Strudel geraten, dieses wohlhabende Leben finanzieren zu müssen, und nun drohte er, im Strudel des Erfolges zu ertrinken.
Er kam in den ersten Montagsstau und dachte daran, Leni anzurufen. Doch es war noch keine acht. Zu früh für Leni. Höchste Zeit, dass sie sich wieder einen anderen Rhythmus angewöhnte.
Um halb neun wurde er in der Hafencity erwartet. Die Haushälterin kam um neun. Leni schlief oft bis elf. Irgendwann würde es eine Kaffeepause geben in dieser Konferenz.
Ein neues Leben anfangen, dachte er, als er am Sandtorkai ankam.
Du und ich, Lenchen. Das schaffen wir schon.
»Das Verlangen, Macht auszuüben«, sagte der Profiler, »das treibt ihn an.« Er nickte Kommissar Lüttich zu, der neben Imke Karle und sechs anderen Kollegen der Soko saß, die sich am frühen Montagmorgen im Konferenzraum
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