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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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den dadurch verursachten Tsunamis zu schützen. Der Transporter hatte auf einem einigermaßen sanften Gefälle aufgesetzt. Die Insel war so verlassen und verseucht wie jeder andere Ort auf dem Planeten; im Südwesten konnten wir den Ozean sehen. Wir hätten aussteigen und uns draußen umsehen können – es gab Atemmasken und Schutzmonturen in den Spinden –, aber wozu hätten wir das tun sollen? Draußen stürmte es ununterbrochen, womöglich eine Folge der gewaltigen Einschläge weiter nördlich.
    Wir diskutierten die Möglichkeit, dass der Torbogen noch funktionieren könnte – dass er selbst im rudimentären Zustand noch in der Lage sein könnte, Turk wiederzuerkennen und uns nach Äquatoria zu bringen. Das war allerdings nur Wunschdenken; jeglicher Annäherungsversuch wäre viel zu riskant gewesen. Kurz darauf registrierte die Maschine zwei weitere Fragmente, die aus dem Orbit stürzten. Die Wolkendecke verbarg sie, aber die Aufschläge verursachten eine Druckwelle, die selbst unsere etliche Hundert Kilometer entfernte Flugmaschine erbeben ließ. Eine Stunde später wich das Meer vom Ufer des Eilands zurück, legte tote Korallen und schwarzen Sand frei, um dann mit einer Wucht zurückzuschwappen, die alles Leben vernichtet hätte, das ihm in den Weg gekommen wäre – nur dass es längst vernichtet war.
    Ich stellte zur Debatte, dass wir einfach nach Vox zurückkehren könnten. Zumal die Maschine genau das automatisch tun würde, sobald der Treibstoffvorrat ein bestimmtes Limit unterschritt.
    »Und wenn es Vox nicht mehr gibt?«, sagte Turk. Die Maschinen der Hypothetischen mussten inzwischen dort angekommen sein.
    Vielleicht. Wahrscheinlich. Aber wir hatten ja keine Ahnung, warum der Torbogen zerfiel – womöglich erging es den Maschinen der Hypothetischen genauso, vielleicht zerfielen sie an der Küste des Ross-Meeres zu Staub. Wenn Vox noch intakt war, könnte es bestimmt genügend Protein aus der bakteriellen Flora des Meeres fischen, um eine kleine Population zu ernähren.
    »Dann wird bis aufs Blut um die Ressourcen gekämpft«, gab Turk zu bedenken. »Und sollten alle hypothetischen Mechanismen zusammenbrechen, dann ist das alles ohnehin nur Zeitverschwendung.«
    Er hatte natürlich recht. Es gab eine Errungenschaft hypothetischer Technologie, die wir alle längst für selbstverständlich hielten: die immaterielle Barriere, die uns vor der expandierenden, alternden Sonne schützte. Sollte diese Barriere auch zusammenbrechen, würden die Meere überkochen, würde sich die Atmosphäre ins All verflüchtigen und Vox in einer Wolke aus überhitzten Molekülen enden.
    Dennoch war ich für eine Rückkehr nach Vox-Core. Wenn ich schon auf diesem Planeten sterben musste, dann dort, wo ich – als Treya – geboren worden war.
    In dieser Nacht wurden wir Zeuge des bisher größten Einschlags. Der Transporter warnte uns vor einem großen, herabstürzenden Objekt, und Turk richtete das Fenster auf den nordwestlichen Himmelsquadranten. Ein verschwommener roter Fleck huschte durch die dichte Wolkendecke, gefolgt von einem Sonnenuntergangsglühen am Horizont. Diesmal war eine besonders heftige Druckwelle zu erwarten, sodass wir die Maschine anwiesen, die Ankerseile in den Fels zu schießen.
    Die Druckwelle erreichte uns als Wand aus Sturm und heißem Regen. Unsere Maschine war druckdicht und gut verankert, dennoch zerrte sie heftig an den Stahlseilen – es hörte sich an, als würde die Erde vor Schmerzen stöhnen.
    Als der Sturm ein wenig nachließ, legte ich mich schlafen. In dieser Nacht träumte ich von Champlain – Allisons Champlain. Ich ging durch Allisons Straßen, bummelte durch Allisons Mal, redete mit Allisons Eltern. Alles war so real und vertraut, und doch fand es in einer Welt ohne Farbe und Konsistenz statt. Allisons Mutter servierte Geflügelpastete und gebackene Bohnen, und ich war Allison und liebte Geflügelpastete, aber das Essen, das sie mir vorsetzte, war undeutlich, war wie eine Skizze und schmeckte nach gar nichts.
    Weil es keine echten Erinnerungen waren. Es waren Worte aus den Tagebüchern einer längst Verstorbenen. Ich hatte eine Menge über mich gelernt, über mich und die Welt, indem ich mich als Allison ausgab, doch in Wahrheit hatte ich nie aufgehört, Treya zu sein. Oscar hatte recht: Allison war nur das Werkzeug, mit dem ich Treya aus den Klauen von Vox befreit hatte. Was immer das jetzt noch wert war.
    Ich kletterte aus meiner Koje und ging nach vorne. Turk war noch wach und

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