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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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Vox-Core wanderte und angesichts meines Spiegelbildes in einer gläsernen Oberfläche erschrak – angesichts dieser Collage aus Blut, Knochen und Gewebe samt der Narben, die meine unfreiwillige Rekonstruktion hinterlassen hatte, ganz zu schweigen von den subtileren Narben der unsichtbaren Verletzungen.
    Mein Vater hatte mich zu dem gemacht, was ich war, weil er geglaubt hatte, es läge in der Macht der Hypothetischen, die Menschheit von der Geißel des Todes zu befreien. Und auch die voxische Religion war letztlich nichts anderes gewesen als eine programmierte limbische Rebellion gegen die Tyrannei des Grabes.
    Und jetzt war der Stein beiseitegewälzt – und enthüllte den mickrigen Propheten eines geistlosen Gottes. Wie enttäuscht wäre mein Vater gewesen!
    »Ich kann den Fluss der Zeit steuern«, erklärte ich Turk und Allison. »Lokal, meine ich.«
    Obwohl sie meine Freunde waren, hatten sie Angst vor mir. Ich konnte sie sehr gut verstehen.
    Ich war zu Besuch bei ihnen. Das Haus war so schön, wie ich es geplant hatte. Die Bäume hinter den Fenstern waren groß und anmutig. Die Luft, die durch die Fallgitter flüsterte, duftete nach Leben. Sie ließen mich an ihrem Tisch Platz nehmen, Allison bot mir Früchte aus einer Schüssel an, Turk goss mir ein Glas Wasser ein. Ich sei zu dünn, meinte Allison. Gut möglich, ich hatte in der letzten Zeit tatsächlich nichts mehr gegessen.
    Ich erzählte ihnen von der Welt dort draußen. Die aufgeblähte Sonne verjagte allmählich die Atmosphäre. Bald würde die Erdkruste zu schmelzen beginnen und Vox auf einem Meer aus flüssiger Lava schwimmen.
    »Aber du kannst uns schützen«, wiederholte Turk, was ich ihm vor Wochen gesagt hatte. »Richtig?«
    »Ich denke ja, aber hierzubleiben, halte ich für sinnlos.«
    »Und wohin könnten wir?«
    Das Sonnensystem war nicht völlig unbewohnbar. Die Jupiter- und Saturnmonde waren relativ warm und stabil. Vox hätte beliebig lange auf den blaugrauen Meeren von Europa kreuzen können, unter einer Atmosphäre, die nicht giftiger war als die irdische.
    »Zum Mars«, sagte Allison plötzlich. »Wenn du recht hast, ich meine, wenn wir uns wirklich zwischen den Planeten bewegen können … auf dem Mars ist ein Torbogen …«
    »Nicht mehr.« Die Hypothetischen hatten den Mars so lange beschützt, wie es dort Menschen gab. Aber die letzten einheimischen Marsianer waren vor Jahrhunderten gestorben und ihre Ruinen waren penibel durchkämmt worden; in den letzten Jahrzehnten hatte man den Torbogen zerfallen und einstürzen lassen. (Ich bezog mein Wissen aus dem Datenpool der Hypothetischen, der mir zum zweiten Gedächtnis geworden war.) Der Mars war also keine Option.
    »Hast du nicht gesagt, Vox-Core kann wie eine Art Raumschiff funktionieren? Wie weit können wir denn fliegen, wie schnell sind wir?«
    »Fast so weit wir wollen, aber nur mit einem sehr kleinen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit.«
    Allison brauchte nicht zu erklären, was ihr durch den Kopf ging. Die Planeten, die den Weltenring bildeten, waren durch Torbögen verbunden, aber durch riesige Entfernungen getrennt. Schon zu Turks Zeiten hatten die Astronomen einige dieser Distanzen berechnet. Die nächste menschliche Welt war mehr als hundert Lichtjahre von der Erde entfernt; sie zu erreichen, würde mehrere Lebensspannen dauern.
    »Aber ich kann den Fluss der Zeit so ändern, dass uns die Zeit viel kürzer vorkommt«, sagte ich. »Wie einige Hundert subjektive Tage.«
    »Aber es wäre nicht mehr derselbe Weltenring, wenn wir ankommen.«
    »Nein. Es wären Tausende von Jahren vergangen. Unmöglich vorauszusehen, was uns erwartet.«
    Sie blickte in den Wald hinaus. Künstliches Sonnenlicht griff mit hellen, unscharfen Fingern durch die Bäume. Der künstliche Himmel über der Stadtstufe war kobaltblau. Es gab weder Vögel noch Insekten. Kein Geräusch bis auf das Rascheln der Blätter.
    Nach einer Weile wandte sie sich Turk zu. Er nickte. »Gut«, sagte sie. »Bring uns nach Hause.«
    Ich ließ meinen physischen Körper schlafen, während ich eine Kugel definierte, die Vox-Core und jenes Stück Insel umfasste, ohne das die Stadt nicht existieren konnte. Die Kugel beschrieb die Grenzfläche zwischen uns und dem äußeren Universum. Die Raumzeit umfasste uns in einer neuartigen, komplexen Geometrie, dann schossen wir wie eine gigantische Kanonenkugel weg von der sterbenden Erde – obwohl wir nichts davon spürten: Unsere Gravitation bezogen wir aus einer geschickten Modifikation

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