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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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Lift; offenbar hatten wir abgehoben, obwohl nichts zu hören war als die Stimmen, die in einer Sprache redeten, die ich nicht kannte. Kein Hopser, kein Schaukeln, keine Turbulenz.
    Die Frau drückte eine stumpfe Metallröhre erst auf meinen Unterarm und dann auf meinen Brustkorb, und meine Angst ebbte ab. Offensichtlich hatte sie mir ein Beruhigungsmittel verabreicht, was mir ganz recht war. Auch mein Durst war wie weggewischt. »Wie heißt du?«, fragte sie.
    Ich krächzte, ich sei Turk Findley. Ich sei gebürtiger Amerikaner und habe zuletzt auf Äquatoria gelebt. Dann fragte ich, wer sie sei und woher sie komme.
    Sie lächelte und sagte: »Ich heiße Treya, und der Ort, von dem ich komme, heißt Vox.«
    »Sind wir dahin unterwegs?«
    »Ja. Es dauert nicht mehr lange. Versuch jetzt zu schlafen.«
    Also schloss ich die Augen und trug Stück für Stück zusammen, was ich über mich finden konnte.
    Mein Name ist Turk Findley.
    Geboren in den letzten Jahren des Spins. Mal Tagelöhner, mal Matrose, mal Pilot für Kleinflugzeuge. Auf einem Frachter kam ich durch den Torbogen nach Äquatoria und blieb ein paar Jahre in Port Magellan. Ich begegnete einer Frau namens Lise Adams, die ihren Vater suchte, was uns unter Leute brachte, die mit marsianischen Drogen experimentierten, was uns tief in die äquatorianische Wüste zu den Ölfeldern brachte zu einer Zeit, da es Asche zu regnen begann und merkwürdige Dinge aus dem Boden wuchsen. Ich liebte Lise Adams genug, um zu wissen, dass ich nicht der Richtige für sie war. Wir wurden in der Wüste getrennt. Und ich glaube, die Hypothetischen bemächtigten sich meiner. Lasen mich auf, trugen mich fort wie eine Welle ein Sandkorn. Spülten mich hierher, an diesen Strand, an diese seichte Stelle, zehntausend Jahre stromabwärts.
    Dies war meine Geschichte, soweit ich sie rekonstruieren konnte.
    Als ich wieder zu mir kam, hatte man mich umgebettet. Ich lag jetzt ungestört in einer Kabine der Flugmaschine. Treya, meine Wächterin oder Ärztin (ich wusste nicht, wie ich sie einordnen sollte) saß an meinem Bett und summte eine Melodie. Ich trug nun eine Hose und darüber eine Art Kittel (wer hatte mich angezogen?).
    Draußen war es Nacht. Durch das schmale Fenster links von mir sah man verstreute Sterne, die sich wie leuchtende Punkte auf einer Scheibe drehten, wann immer sich die Flugmaschine in eine Kurve legte. Der kleine äquatorianische Mond saß auf dem Horizont (was bedeutete, dass ich nach wie vor auf Äquatoria war, auch wenn es sich sehr verändert hatte). Tief unten weiße Schaumkronen, die vor Phosphoreszenz glitzerten. Wir flogen übers Meer, weit und breit kein Festland.
    »Was ist das für eine Melodie?«, fragte ich.
    Treya schrak auf. Sie war jung, vielleicht zwanzig, fünfundzwanzig. Ihre Augen verrieten Aufmerksamkeit und Vorsicht, als hätte sie eine latente Angst vor mir. Aber sie lächelte über die Frage. »Nur ein Lied.«
    Ein bekanntes Lied. Eines von diesen Klageliedern im Walzertakt, die in den Wirren nach dem Spin so beliebt gewesen waren. »Es erinnert mich an ein Lied, das ich mal kannte …«
    »Après Nous.«
    Richtig. Ich hatte jung und einsam in einer Bar in Venezuela gesessen … Ein schönes Lied, aber wie konnte es zehn Jahrtausende überdauern? »Woher kennst du es?«
    »Wie soll ich das erklären? Ich … bin damit aufgewachsen.«
    »Wirklich? Wie alt bist du denn?«
    Sie lächelte wieder. »Nicht so alt wie du, Turk Findley. Aber ich habe einige Erinnerungen. Deshalb bin ich dir zugeteilt. Ich bin nicht nur deine Krankenschwester. Ich bin dein Übersetzer, dein Wegweiser und dein Fremdenführer, wenn du so willst.«
    »Dann kannst du mir vielleicht erklären …«
    »Ich kann dir viel erklären, aber nicht jetzt. Du brauchst Ruhe. Soll ich dir etwas zum Einschlafen geben?«
    »Ich habe lange genug geschlafen.«
    »Hat es sich so angefühlt, als du bei den Hypothetischen warst – wie Schlaf?«
    Die Frage verblüffte mich. Ich wusste, dass ich irgendwie »bei den Hypothetischen« gewesen war, aber richtig erinnern konnte ich mich daran nicht. Sie schien mehr darüber zu wissen als ich.
    »Vielleicht kommen die Erinnerungen zurück«, sagte sie.
    »Kannst du mir verraten, wovor wir weglaufen?«
    Sie runzelte die Stirn. »Wie meinst du das?«
    »Ihr konntet doch nicht schnell genug weg aus der Wüste.«
    »Nun … diese Welt hat sich verändert, seit du aufgegriffen wurdest. Es gab Kriege. Der Planet wurde radikal entvölkert und hat sich nie

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