Vorübergehend tot
auf dem Belinda saß, landete er auf mir, die ich neben dem Stuhl hockte. Ich wurde umgeworfen und knallte gegen Erics Schreibtisch, und nur der Tatsache, daß dabei mein Arm hochflog, habe ich es zu verdanken, daß die Fangzähne Long Shadows meine Kehle verfehlten und er sie mir nicht herausreißen konnte. Statt dessen senkten sich die Fangzähne mit roher Gewalt in meinen Unterarm, woraufhin ich schrie oder zumindest zu schreien versuchte, aber nach dem Aufprall war nicht mehr viel Luft in meinen Lungen verblieben, so daß mein Schrei eher wie ein ängstliches Krächzen klang.
Das einzige, was mir bewußt war, war die schwere Gestalt, die auf mir lag, der Schmerz in meinem Arm und meine eigene Angst. Bei den Rattrays hatte ich erst befürchtet, sie könnten mich umbringen, als es fast schon zu spät gewesen war, aber bei Long Shadow wußte ich genau, er würde mich auf der Stelle umbringen, um zu verhindern, daß sein Name über meine Lippen kam. Als ich dann den schrecklichen Lärm hörte und der Körper des Vampirs sich noch heftiger an mich preßte, hatte ich überhaupt keine Vorstellung davon, was das wohl bedeuten mochte. Ich hatte über meinen Arm hinweg Long Shadows Augen sehen können. Sie waren groß, braun, wahnsinnig, kalt. Plötzlich jedoch wurden sie matt und ausdruckslos. Dann schoß dem Vampir Blut aus dem Mund. Es floß an meinem Arm entlang in meinen offenen Mund. Ich mußte würgen. Long Shadows Zähne zogen sich zurück, und dann fiel sein Gesicht in sich zusammen. Er bekam immer mehr Falten, immer mehr Runzeln, seine Augen wurden zu gallertartigen Seen. In großen Büscheln fiel dickes, schwarzes Haar auf mein Gesicht.
Ich war so geschockt, daß ich mich nicht rühren konnte. Hände packten mich an der Schulter und zogen mich unter der verwesenden Leiche hervor. Dann stieß ich mich mit den Füßen ab und half nach.
Es stank nicht, aber es war auch so ekelhaft genug. Die Leiche wurde schwarz und streifig, und dann das absolute Entsetzen, der Schrecken, mit ansehen zu müssen, wie Long Shadow mit ungeheurer Geschwindigkeit zerfiel. Ein Pflock ragte ihm aus dem Rücken. Eric stand da und sah zu, wie wir alle es taten, hielt jedoch einen Holzhammer in der Hand. Bill stand hinter mir, denn er hatte mich unter Long Shadow hervorgezogen. Pam stand an der Tür und hielt Belindas Arm umklammert. Die Kellnerin wirkte völlig erschüttert, und bestimmt sah ich genauso aus.
Nun verschwand sogar das Gerippe und wurde zu Rauch. Wir alle verharrten stocksteif, bis das letzte Wölkchen entschwunden war. Auf dem Teppichboden verblieb eine Art Brandfleck.
„Da müssen Sie aber einen Läufer drüberlegen“, sagte ich plötzlich unvermittelt. Ehrlich: Ich konnte das Schweigen ganz einfach nicht mehr ertragen.
„Dein Mund ist blutig“, sagte Eric. Alle Vampire hatten voll ausgefahrene Fänge. Sie waren ziemlich erregt.
„Er hat in mich hineingeblutet.“
„Ist dir irgend etwas davon in den Hals geraten?“
„Wahrscheinlich. Was heißt das?“
„Das wird man sehen“, sagte Pam. Ihre Stimme klang dunkel und rauh. Sie beäugte Belinda in einer Art, die mich ziemlich nervös gemacht hätte. Belinda jedoch, so unglaublich das klingen mag, schien sich zu spreizen wie ein Pfau. „In der Regel“, fuhr Pam fort, den Blick unverwandt auf den Schmollmund der Kellnerin gerichtet, „trinken wir von Menschen, nicht umgekehrt.“
Eric sah mich höchst interessiert an, und zwar mit demselben Interesse, mit dem Pam Belinda fixierte. „Wie siehst du nun die Welt, Sookie?“ fragte er mit einer so weichen Stimme, daß kein Außenstehender je auf die Idee gekommen wäre, daß er gerade einen alten Freund vernichtet hatte.
Wie sah ich die Welt? Alles wirkte heller, klarer, die Geräusche klangen deutlicher, ich hörte besser. Ich wollte mich umdrehen und Bill anschauen, fürchtete mich aber davor, Eric aus den Augen zu lassen.
„Ich glaube, Bill und ich sollten jetzt lieber gehen“, sagte ich, als sei etwas anderes ohnehin nicht denkbar. „Ich habe getan, worum Sie mich gebeten haben, und nun müssen wir fort. Keine Repressalien Bruce, Belinda und Ginger gegenüber, ja? So war es abgemacht.“ Hoch erhobenen Hauptes und mit einer Unbekümmertheit, die ich keineswegs empfand, schritt ich zur Tür. „Sie müssen doch bestimmt nachsehen, ob vorn im Lokal alles in Ordnung ist“, fuhr ich fort. „Wer bedient denn heute nacht am Tresen?“
„Wir haben eine Vertretung engagiert“, murmelte Eric
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