Vorübergehend tot
fassen: Hier stand ich nun und verhandelte mit einem Vampir.
Eric schien sich die Sache wirklich durch den Kopf gehen zu lassen. Plötzlich fand ich mich in seinen Gedanken wieder: Er dachte, er könne mich zu allem zwingen, jederzeit, an jedem Ort, denn er bräuchte einfach nur Bill oder einen Menschen, den ich liebte, zu bedrohen. Weiterhin dachte er, daß er bürgerlich leben wolle und sich von daher nach Möglichkeit im Rahmen der geltenden Gesetze zu bewegen habe, daß es besser sei, seine Beziehungen zu Menschen offen und ehrlich zu gestalten, zumindest so offen und ehrlich, wie es bei Beziehungen zwischen Vampiren und Menschen überhaupt ging. Eric wollte niemanden umbringen, wenn es nicht unbedingt notwendig war.
Mir kam es vor, als sei ich plötzlich in eine Schlangengrube geworfen worden - in eine Grube mit kalten Schlagen, mit tödlichen Schlangen. Das Ganze ging in Sekundenschnelle vor sich, war nur ein kleiner Blitz, ein kurzer Einblick, denn sonst hätte Eric mitbekommen, daß ich mich in seinem Kopf befand, der mich aber nichtsdestoweniger mit einer ganz anderen Realität konfrontierte.
„Außerdem“, sagte ich dann schnell, ehe der Vampir registrieren konnte, daß ich seine Gedanken mitbekommen hatte, „wie genau wissen Sie denn, daß ein Mensch der Dieb war?“
Pam und Long Shadow bewegten sich ungeheuer rasch, aber Eric erfüllte das ganze Zimmer mit seiner dominierenden Gegenwart und befahl den beiden, sich ruhig zu verhalten.
„Eine interessante Frage“, sagte er dann. „Pam und Long Shadow betreiben die Bar zusammen mit mir als meine Partner, und wenn keiner der Menschen schuldig ist, die hier arbeiten, werden wir uns wohl diese beiden ansehen müssen.“
„Es war ja nur so ein Gedanke“, sagte ich bescheiden, und Eric musterte mich mit den eisblauen Augen eines Wesens, das sich kaum noch daran erinnert, was Menschsein einmal bedeutet hat.
„Du kannst bei diesem Mann hier anfangen“, befahl er mir.
Ich kniete neben Bruces Stuhl und wußte nicht recht, wie ich vorgehen sollte. Bislang hatte ich nie versucht, etwas, was sich immer ziemlich zufällig und nebenbei abgespielt hatte, in einen formellen Rahmen zu spannen. Wahrscheinlich würde es helfen, wenn ich den Mann berührte - verbesserte Übertragung durch direkten Kontakt sozusagen. Also nahm ich Bruces Hand, fand das zu persönlich (und viel zu verschwitzt), schob seinen Ärmel hoch, legte meine Hand um sein Handgelenk und sah ihm in die kleinen, verängstigten Augen.
Ich habe das Geld nicht geklaut, wer denn bloß, welcher verrückte Vollidiot bringt uns denn alle derart in Gefahr, was soll Lillian denn bloß anfangen, wenn sie mich umbringen, und Bobby und Heather, warum habe ich überhaupt für Vampire gearbeitet, es war die reine Habsucht, und nun zahle ich dafür, guter Gott, ich arbeite nie wieder für diese schrecklichen Wesen, und wie kann diese verrückte Frau herausfinden, wer das verdammte Geld geklaut hat, warum läßt sie mich nicht los, was wenn sie auch ein Vampir ist oder irgendein Dämon, ihre Augen sind so merkwürdig, ich hätte schon viel früher merken müssen, daß das Geld weg ist und hätte rausfinden sollen, wer es hat, ehe ich Eric davon erzählte ...
„Haben Sie das Geld gestohlen?“ fragte ich leise, auch wenn ich sicher war, die Antwort bereits zu kennen.
„Nein“, stöhnte Bruce, und der Schweiß rann ihm in Strömen über das Gesicht. Seine Gedanken, die Reaktion auf die Frage, die ich gestellt hatte, bestätigten nur, was ich bereits gehört hatte.
„Wissen Sie, wer es getan hat?“
„Ich wünschte, ich wüßte es.“
Ich stand auf, wandte mich zu Eric um und schüttelte den Kopf. „Dieser Typ war es nicht“, sagte ich.
Pam begleitete den armen Bruce nach draußen und brachte den nächsten, der befragt werden sollte.
Diesmal war meine Klientin eine Kellnerin. Die Frau trug ein langes, schwarzes Gewand, zeigte reichlich Busen und hatte langes, ausgefranstes erdbeerrotes Haar, das ihr unordentlich bis auf den Rücken hing. Eine Anstellung im Fangtasia war natürlich für jeden Fangbanger der Traumjob, und dieses Mädel verfügte über reichlich Narben, die nachwiesen, daß ihr die Vergünstigungen, die mit der Arbeitsstelle einhergingen, gut gefielen. Sie war so selbstsicher, daß sie Eric vergnügt angrinste, als sie ins Zimmer kam, und war närrisch genug, voller Vertrauen auf dem harten Stuhl vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen, wobei sie die Beine übereinanderschlug und sich
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