Vorübergehend tot
ja wohl kaum Sitte und Anstand, die du vorhin noch so lobend erwähnt hast, von irgend etwas abhalten.“
„Pam kann ihn vielleicht dazu bewegen, sich weiter an die alten Wege zu halten.“
„Was bedeutet sie ihm?“
„Eric hat Pam erschaffen. Das heißt: Er hat sie vor Jahrhunderten als Vampirin erschaffen. Von Zeit zu Zeit kehrt sie zu ihm zurück und hilft ihm bei den Unternehmungen, die er gerade vorhat. Eric war immer schon ein Schlitzohr, und je älter er wird, desto starrsinniger wird er.“ Eric starrsinnig zu nennen schien mir die größte Untertreibung des Jahrhunderts.
„Haben wir nun also lange genug um den heißen Brei herumgeredet?“ wollte ich wissen.
Darüber schien Bill nachdenken zu müssen. „Ja“, sagte er dann, und in seinem Ton schwang Bedauern mit. „Du möchtest außer mit mir mit Vampiren nichts zu tun haben, und ich habe dir gerade erklärt, daß wir in dieser Frage keine Wahl haben.“
„Was hat es mit dieser Desiree auf sich?“
„Eric hat dafür gesorgt, daß sie jemand auf meiner Türschwelle ablegt. Dabei hat er wohl gehofft, ich würde mich über das hübsche Geschenk freuen. Außerdem hätte es meine Hingabe an dich in Frage gestellt, wenn ich von ihr getrunken hätte. Gut möglich, daß er noch dazu irgendwie Desirees Blut vergiftet hat, so daß mich ihr Blut, hätte ich es zu mir genommen, geschwächt hätte. Desiree hätte sich durchaus zu meiner Achillesferse entwickeln können.“ Er zuckte die Achseln. „Du hast wirklich gedacht, ich hätte mich mit ihr verabredet und würde mit ihr ausgehen?“
„Ja.“ Ich spürte, wie sich meine Miene verfinsterte, als ich daran dachte, wie Bill mit diesem Mädchen in unser Lokal gekommen war.
„Du warst nicht daheim. Ich mußte schließlich losziehen und dich suchen.“ Bills Ton klang nicht anklagend, besonders zufrieden allerdings auch nicht.
„Ich habe versucht, Jason zu helfen. Außerdem war ich noch ärgerlich wegen gestern nacht.“
„Ist denn zwischen uns jetzt alles wieder in Ordnung?“
„Nein, aber es ist soweit in Ordnung, wie es das zwischen uns überhaupt sein kann“, sagte ich. „Ich nehme an, solche Sachen laufen nie glatt, ganz egal, wen man liebt. Aber auf Hindernisse so drastischer Art war ich nicht eingestellt. Es gibt wohl für dich keine Möglichkeit, irgendwann einmal einen höheren Rang zu bekleiden als Eric, nicht? Wo er doch soviel älter ist als du und Alter das entscheidende Kriterium ist?“
„Nein“, stimmte Bill mir zu, „einen höheren Rang kann ich nie bekleiden ...“ Dann wirkte er plötzlich sehr nachdenklich. „Obwohl: Es gibt da durchaus etwas, was ich in dieser Sache unternehmen könnte. Ungern zwar - eigentlich widerspricht das meinem Wesen -, aber zumindest wären wir dann sicherer.“
Ich ließ ihn in Ruhe nachdenken.
„Ja!“ Nach langem Grübeln war Bill anscheinend zu einem befriedigenden Schluß gekommen. Er bot mir allerdings nicht an zu erklären, worum es eigentlich ging, und ich fragte ihn auch nicht.
„Ich liebe dich“, sagte er dann, als sei das auf jeden Fall unter dem Strich das Endergebnis, ganz gleich, für welche Vorgehensweise er sich entschied. Sein Gesicht hing über mir im Halbdunkel, leuchtend und wunderschön.
„Ich dich auch“, entgegnete ich und stemmte beide Hände gegen seine Brust, damit er mich nicht in Versuchung führen konnte. „Aber im Augenblick steht zu viel gegen uns. Wenn wir uns Eric vom Hals schaffen könnten, wäre das bereits eine große Hilfe. Dann ist da natürlich noch eine andere Sache: Wir müssen dafür sorgen, daß die Ermittlungen bezüglich der Morde zu einem Ende kommen. Damit hätten wir eine weitere große Sorge vom Halse. Der Mörder ist für den Tod deiner Freunde und für den Dawns und Maudettes verantwortlich.“ Ich machte eine Pause und holte Luft. „Genau wie für den Tod meiner Großmutter.“ Dann mußte ich blinzeln, um meine Tränen zurückzuhalten. Ich hatte mich langsam daran gewöhnt, daß Oma nicht mehr da war, wenn ich nach Hause kam, und ich gewöhnte mich auch langsam an die Tatsache, daß ich nicht mehr mit ihr reden, ihr nicht erzählen konnte, wie mein Tag gewesen war. Aber von Zeit zu Zeit verspürte ich noch einen Schmerz, der so tief ging, daß er mir den Atem raubte.
„Warum denkst du, daß derselbe Mörder auch dafür verantwortlich ist, daß die Vampire in Monroe verbrannt wurden?“
„Ich glaube, es war der Mörder, der den Männern an jenem Abend in der Kneipe diese Idee in
Weitere Kostenlose Bücher