Vorübergehend tot
Irgendwie fühlte ich mich nach diesen Worten gleich viel besser. Charlsie zeigte sich genauso besorgt und mitfühlend, nur ging es ihr mehr um den Schock, den ich erlitten hatte, und weniger um Tinas qualvolles Sterben. Sam blickte beunruhigt und finster drein; er war der Meinung, ich sollte den Sheriff oder Andy anrufen und einem der beiden mitteilen, was geschehen war. Letztlich rief ich Bud Dearborn an.
„Derlei tritt in der Regel in Wellen auf“, erklärte der Sheriff mir mit seiner tiefen, brummigen Stimme. „Aber außer dir hat niemand ein totes oder verschwundenes Haustier gemeldet. Ich fürchte, hier geht es um dich persönlich. Dieser Vampir, mit dem du befreundet bist: Mag er Katzen?“
Ich schloß die Augen und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Ich telefonierte von Sams Büro aus. Sam saß am Schreibtisch und füllte den Bestellschein für die nächste Getränkelieferung aus.
„Bill war zu Hause, als derjenige, der Tina ermordet hat, mir ihre Leiche auf die Veranda warf“, sagte ich, so ruhig ich konnte. „Ich habe ihn sofort danach angerufen, und er ist selbst ans Telefon gegangen.“ Sam sah fragend hoch, und ich verdrehte die Augen, um ihn wissen zu lassen, was ich von den Verdächtigungen des Sheriffs hielt.
„Er hat dir dann gesagt, daß deine Katze erwürgt worden ist?“ fuhr Bud nachdenklich fort.
„Ja.“
„Hast du denn den Strick?“
„Nein. Ich habe noch nicht einmal gesehen, was für einer es gewesen sein könnte.“
„Was hast du mit dem Kätzchen gemacht?“
„Wir haben sie begraben.“
„War das deine Idee oder die Mr. Comptons?“
„Meine.“ Was hätten wir denn sonst mit Tina tun sollen?
„Vielleicht kommen wir und graben Tina wieder aus. Wenn wir den Strick und die Katze hätten, könnten wir vielleicht feststellen, ob zwischen der Art, wie sie erwürgt wurde, und der, wie Maudette und Dawn erwürgt worden sind, eine Übereinstimmung besteht.“
„Es tut mir leid, daran habe ich gar nicht gedacht.“
„Nun, das spielt ja auch keine große Rolle mehr. Ohne den Strick, meine ich.“
„Na, dann auf Wiedersehen“, verabschiedete ich mich und legte auf, vielleicht ein wenig entschiedener, als eigentlich notwendig gewesen wäre. Sam zog fragend die Brauen hoch.
„Bud ist ein Affe!“ teilte ich ihm erbost mit.
„Bud ist kein schlechter Polizist“, widersprach Sam mir gelassen. „Niemand hier in der Gegend ist an derart kranke Morde gewöhnt.“
„Da hast du recht“, mußte ich nach einer kleinen Pause eingestehen. „Das war nicht fair von mir. Aber wie er immerfort 'Strick' sagte, als wäre das ein Wort, das er gerade erst gelernt hätte und worauf er ungeheuer stolz wäre. Es tut mir leid, daß ich so wütend auf ihn geworden bin.“
„Niemand verlangt von dir, daß du ständig perfekt bist, Sookie.“
„Heißt das, ich darf mich von Zeit zu Zeit mal richtig daneben benehmen und brauche nicht immerfort alles zu verstehen und zu verzeihen? Danke, Chef!“ Ich lächelte Sam an, wobei ich spürte, wie mühsam sich meine Lippen verzogen. Dann glitt ich von der Tischkante, auf die ich mich beim Telefonieren gehockt hatte, dehnte und reckte mich ausführlich, und erst als ich sah, mit welch hungrigem Blick Sam jede einzelne meiner Bewegungen verfolgte, wurde mir wieder ganz bewußt, wo ich war. „Nun aber los, an die Arbeit!“ rief ich gespielt munter und eilte aus dem Zimmer, peinlich darauf bedacht, auch den kleinsten Hüftschwung zu vermeiden.
„Könntest du heute abend wohl ein paar Stunden auf die Kinder aufpassen?“ fragte Arlene mich kurz darauf ein wenig schüchtern. Ich dachte an unsere letzte Unterhaltung darüber, ob ich ihre Kinder hüten könnte oder nicht, daran, wie betroffen und beleidigt ich gewesen war, als Arlene zögerte, ihre Kinder in einem Haus zu lassen, in dem ein Vampir verkehrte. Sie hatte mich beschuldigt, nicht wie eine Mutter zu denken, und nun versuchte sie wohl, sich zu entschuldigen.
„Die Kinder hüten? Gern!“ antwortete ich und wartete ab, ob Bill auch diesmal zur Sprache kommen würde. Das war aber nicht der Fall.
„Von wann bis wann?“
„Rene und ich wollen nach Monroe ins Kino. Kann ich die Kinder so gegen halb sieben bringen?“
„Halb sieben ist in Ordnung. Haben die beiden dann schon gegessen?“
„Abfüttern werde ich sie. Sie sind bestimmt entzückt darüber, endlich mal wieder zu Tante Sookie zu dürfen.“
„Ich bin genauso entzückt.“
„Danke“, sagte Arlene. Dann zögerte
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