Vorübergehend tot
Erklärung mit einigem Interesse.
„Liebling, ich muß für ein paar Tage die Stadt verlassen“, hob mein Liebster an.
Diese Ankündigung kam ziemlich unerwartet und warf mich völlig aus dem Konzept.
„Was ... warum? Nein, warte: Das brauche ich nicht wirklich zu wissen!“ Ich machte eine abwehrende Bewegung mit beiden Händen, um nur nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, Bill sei verpflichtet, mich in seine Geschäfte einzuweihen.
„Das erkläre ich dir, wenn ich wieder zurück bin“, sagte mein Freund bestimmt.
„Was hat das mit deinem Kumpel - Bubba - zu tun?“ Ich mußte die Frage einfach stellen, auch wenn ich das unangenehme Gefühl hatte, die Antwort eigentlich bereits zu kennen.
„Bubba wird auf dich aufpassen, während ich fort bin“, sagte Bill, genau wie ich erwartet hatte.
Ich zog die Brauen hoch.
„Ich weiß, er hat nicht besonders viel...“, auf der Suche nach Worten blickte Bill sich ein wenig hilflos um, „... viel irgendwas. Aber er ist stark, er tut, was ich ihm sage, und er wird dafür sorgen, daß niemand bei dir einbricht.“
„Er bleibt also draußen im Wald?“
„Aber auf jeden Fall!“ erklärte Bill mit Nachdruck. „Er hat Befehl, noch nicht einmal hoch zum Haus zu kommen, und reden soll er mit dir auch nicht. Er soll sich bei Dunkelwerden einfach irgendeinen Ort suchen, von dem aus er das Haus im Auge hat, und dann die ganze Nacht über wachen.“
Dann durfte ich auf keinen Fall vergessen, die Rollos herunterzulassen. Die Vorstellung, ein dümmlicher Vampir könnte durch meine Fenster linsen, war nicht besonders erbaulich.
„Du findest es wirklich notwendig, daß er hier wacht?“ fragte ich ein wenig hilflos. „Ich kann mich nämlich gar nicht daran erinnern, daß du mich nach meiner Meinung gefragt hast.“
„Liebling!“ setzte Bill in einem übertrieben geduldigen Tonfall an, „ich gebe mir ja wirklich alle Mühe, mich daran zu gewöhnen, wie Frauen heutzutage behandelt werden wollen. Aber leicht fällt es mir nicht, es geht völlig gegen meine Natur. Besonders jetzt, wo ich befürchten muß, daß dir große Gefahr droht. Da versuche ich, alles so zu organisieren, daß ich mir keine Sorgen machen muß, solange ich fort bin. Ich wünschte, ich bräuchte überhaupt nicht zu fahren, und das, was ich vorhabe, geht mir eigentlich auch ziemlich gegen den Strich, aber ich muß es tun, und zwar für uns beide.“
Ich betrachtete Bill lange und abwägend. „Gut“, sagte ich dann, „ich glaube, ich habe dich verstanden. Das Arrangement gefällt mir zwar nicht besonders, aber ich habe Angst des Nachts, und ich nehme an ... also gut!“
Wenn ich ganz ehrlich sein soll, glaubte ich nicht, daß es überhaupt eine Rolle spielte, ob ich nun meine Zustimmung gab oder nicht. Wie hätte ich Bubba zum Gehen bewegen können, wenn er nicht gehen wollte? Selbst der Polizeiapparat in unserer kleinen Stadt verfügte ja nicht über die Mittel und die Ausrüstung, mit Vampiren fertig zu werden, und beim Anblick dieses einen, besonderen Vampirs würden ohnehin alle Beamten so lange stocksteif mit offenen Mündern in der Gegend herumstehen, bis es ihm gelungen war, sie allesamt in Stücke zu reißen! Ich wußte Bills Besorgnis zu schätzen und bekam langsam das Gefühl, ihm ein Dankeschön zu schulden. Also nahm ich ihn kurz in die Arme und drückte ihn ein wenig an mich.
„Wenn du unbedingt gehen mußt, dann paß gut auf dich auf!“ sagte ich dazu, wobei ich mir alle Mühe gab, nicht allzu verloren zu klingen. „Weißt du denn schon, wo du wohnen kannst?“
„]a. Ich werde in New Orleans wohnen. Im 'Blood in the Quarter' hatten sie ein Zimmer frei.“
Über das Hotel 'Blood in the Quarter' hatte ich bereits einen Artikel gelesen. Es war das erste der Welt, das sich auf die Unterbringung von Vampiren spezialisiert hatte. Das Hotel versprach seinen Besuchern absolute Sicherheit und hatte dieses Versprechen bislang auch halten können. Noch dazu lag es direkt im French Quarter der Stadt. Bei Dämmerung war es jeden Abend umzingelt von Fangbangern und Touristen, die miterleben wollten, wie die Vampire herauskamen.
Beim Gedanken an New Orleans wurde ich ein wenig neidisch. Ich strengte mich sehr an, nicht wie ein trauriges kleines Hündchen auszusehen, das durch die Tür zurück ins Haus geschoben wird, weil seine Besitzer allein ausgehen wollen, und sorgte rasch dafür, daß mein Lächeln wieder dort saß, wo es hingehörte. „Na, dann amüsier dich schön!“ sagte ich
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