Vorübergehend tot
strahlend. „Hast du schon gepackt? Die Fahrt dauert doch bestimmt ein paar Stunden, und die Nacht ist schon fortgeschritten.“
„Der Wagen ist fertig“, entgegnete Bill, und erst jetzt verstand ich, daß er seine Abreise hinausgezögert hatte, um mit mir und Arlenes Kindern zusammensein zu können. „Du hast recht: Ich muß jetzt wirklich los.“ Dann zögerte er, offensichtlich auf der Suche nach den passenden Worten, streckte mir aber schließlich statt dessen einfach beide Hände hin. Ich ergriff sie, und er zog mich sanft näher zu sich heran. Ich trat in seine Umarmung und rieb mein Gesicht an seiner Brust. Meine Arme legten sich um Bill, und ich drückte mich an ihn.
„Du wirst mir fehlen“, sagte mein Vampir, wobei seine Stimme nur ein schwacher Hauch in der Luft war, aber ich hörte sie trotzdem. Ich spürte seine Lippen, die mir einen ganz leichten Kuß auf das Haar drückten; dann löste er sich von mir und trat durch die Vordertür hinaus. Von der vorderen Veranda her hörte ich seine Stimme Bubba ein paar letzte Anweisungen erteilen, gefolgt vom Quietschen der Schaukel, als Bubba aufstand.
Aus dem Fenster sah ich erst wieder, als ich Bills Wagen die Auffahrt hinunterfahren hörte. Ich sah, wie Bubba zum Wäldchen schlenderte. Später duschte ich, wobei ich mir ständig versicherte, daß Bubba Bills vollstes Vertrauen genoß, denn sonst hätte mein Freund den anderen Vampir nicht hier gelassen, um mich zu bewachen. Aber unter dem Strich war ich mir immer noch nicht ganz schlüssig darüber, vor wem ich mehr Angst haben sollte: vor dem Mörder, nach dem Bubba Ausschau hielt, oder vor Bubba selbst.
* * *
Am nächsten Tag auf der Arbeit fragte Arlene, warum der unbekannte Vampir zu mir gekommen war. Ich wunderte mich nicht darüber, daß sie das Thema ansprach.
.,Bill muß für ein paar Tage verreisen, und da er sich Sorgen macht...“ Ich hatte gehofft, es dabei belassen zu können, aber nun hatte sich auch Charlsie zu uns gesellt - im Merlottes war an diesem Tag nicht viel zu tun, da die Handelskammer im 'Fins and Hooves' ein Mittagessen mit Gastredner veranstaltete und die Damen der Vereinigung 'Kartoffel und Choral' im riesigen Haus der alten Mrs Bellefleur gemeinsam ihre Kartoffeln samt geistiger Erbauung zu sich nahmen.
„Willst du damit sagen“, fragte Charlsie mit großen leuchtenden Augen, „daß dir dein Liebster einen Leibwächter besorgt hat?“
Ich nickte zögernd. So konnte man es sagen.
„Wie romantisch“, seufzte Charlsie.
So konnte man es auch sehen.
„Aber was für einen! Den solltest du mal sehen!“ warf Arlene nun ein, die ihre Zunge so lange im Zaum gehalten hatte, wie ihr irgend möglich gewesen war. „Er sieht haargenau aus wie ...“
„Der Eindruck legt sich, sobald man mit ihm redet“, unterbrach ich. „Dann ist da überhaupt keine Ähnlichkeit mehr.“ Das war die reine Wahrheit. „Im übrigen hört er den Namen gar nicht gern - du weißt schon, welchen.“
„Oh!“ hauchte Arlene, als befürchte sie, Bubba könne uns am helllichten Tage zuhören.
„Ich muß allerdings sagen, daß ich mich sicherer fühle, jetzt, wo sich Bubba im Wald herumtreibt“, sagte ich, was mehr oder weniger auch den Tatsachen entsprach.
„Ist er denn nicht bei dir im Haus?“ fragte Charlsie, wobei sie eindeutig ein wenig enttäuscht klang.
„Guter Gott, nein, wo denkst du hin!“ sagte ich und entschuldigte mich im Stillen bei Gott, weil ich seinen Namen mißbraucht hatte - in letzter Zeit entschuldigte ich mich ziemlich oft im Geiste bei Gott. „Nein, Bubba bleibt nachts im Wald und beobachtet das Haus.“
„War das ernstgemeint mit den Katzen?“ Arlene sah aus, als sei ihr beim bloßen Gedanken daran ein wenig übel.
„Er hat nur Spaß gemacht. Sein Humor ist nicht gerade beeindruckend.“ Ich hatte die Zähne zusammengebissen und log meine Kolleginnen schamlos an, denn eigentlich war ich ziemlich sicher, daß Bubba nur zu gern einen Schluck Katzenblut zu sich nahm.
Besonders überzeugend hatte ich wohl nicht geklungen, denn Arlene schüttelte den Kopf, woraufhin ich beschloß, es sei Zeit, das Thema zu wechseln. „Hattet ihr beiden denn einen schönen Abend gestern, du und Rene?“
„Rene war letzte Nacht prima, findest du nicht?“ fragte Arlene mit hochroten Wangen.
Eine oft verheiratete Frau, die errötete. „Sag du's mir.“
„Du nun wieder! Ich meinte doch nur, daß er zu Bill und sogar zu diesem Bubba richtig höflich war.“
„Hätte er denn
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