Vorübergehend tot
Rene sich zum Gehen, und Bill steuerte den Neuankömmling in meine Richtung, damit auch ich ihn begrüßen konnte. Schon aus fünf Metern Entfernung rief der Neue mir mit ausgeprägtem Südstaatlerakzent fröhlich zu: „Hallo! Bill sagt, irgendwer hat Ihre Katze umgebracht!“
Gequält schloß mein Vampir einen Moment lang die Augen, und ich konnte nur sprachlos nicken.
„Das tut mir leid“, fuhr der neue Vampir fort. „Ich mag Katzen!“ Irgendwie wußte ich genau, daß er damit nicht meinte, daß er gern ihr Fell streichelte. Ich hoffte inständig, die Kinder hätten nichts mitbekommen, aber nun tauchte Arlenes verschrecktes Gesicht im Rückfenster von Renes Pick-up auf. Der ganze gute Ruf, all das Vertrauen, das Bill so mühsam aufgebaut hatte, war jetzt wohl mit einem Schlag futsch.
Hinter dem Rücken des neuen Vampirs schüttelte Rene ein wenig fassungslos den Kopf. Dann kletterte er auf den Fahrersitz seines Pick-up, startete den Motor, rief uns noch einmal auf Wiedersehen zu und streckte den Kopf aus dem Fenster, um den Neuankömmling mit einem letzten, ungläubigen Blick zu mustern. Er hatte wohl auch irgend etwas zu Arlene gesagt, denn der Kopf meiner Freundin tauchte erneut am Fenster auf. Arlene musterte den Fremden neugierig und ausführlich, solange sie konnte. Kaum hatte ich noch mitbekommen, wie ihr Unterkiefer vor Staunen herabfiel, da war ihr Kopf auch schon wieder im Wageninnern verschwunden, und der Pick-up fuhr mit quietschenden Reifen die Auffahrt hinunter.
„Sookie“, wandte sich Bill mit leicht warnendem Unterton an mich, „darf ich dir Bubba vorstellen?“
„Bubba“, wiederholte ich und mochte meinen Ohren kaum trauen.
„Bubba“, bestätigte der neue Vampir gut gelaunt, und sein furchterregendes Lächeln verkündete nichts als Wohlwollen. „Das bin ich. Freut mich, Sie kennenzulernen.“
Ich schüttelte dem Vampir die Hand und zwang mich, sein Lächeln zu erwidern. Allmächtiger Gott - ich hatte nie gedacht, daß er mir je die Hand schütteln würde. Aber er hatte sich eindeutig nicht zu seinem Besten verändert.
„Bubba, würde es dir etwas ausmachen, hier auf der Veranda zu warten? Ich möchte mit Sookie das Arrangement besprechen, das wir getroffen haben.“
„Ist recht“, erwiderte Bubba unbekümmert. Er ließ sich auf der Schaukel nieder, so glücklich und hirnlos wie ein Pfund Brot.
Bill und ich gingen ins Wohnzimmer, aber ehe sich die Verandatür hinter uns geschlossen hatte, fiel mir noch auf, daß ein Großteil der nächtlichen Geräusche - all die Insekten und Frösche - mit Bubbas Auftauchen einfach verstummt war. „Ich wollte dir die Sache eigentlich erklären, ehe Bubba angestiefelt kommt“, flüsterte Bill. „Aber das ging ja nicht.“
Ich sagte: „Ist Bubba der, für den ich ihn halte?“
„Ja. Wie du siehst, stimmt zumindest ein Teil der Geschichten, in denen behauptet wird, er sei gesehen worden. Aber bitte, nenn' ihn nicht beim Namen! Nenn' ihn Bubba. Irgend etwas ist schiefgelaufen, als er herüberwechselte - vom Menschen zum Vampir wurde, meine ich -; daran mag all die Chemie schuld sein, die er im Körper hatte.“
„Aber er war wirklich tot, oder?“
„Nicht ... ganz. Einer von uns hat da unten im Leichenschauhaus gearbeitet und war ein großer Fan von ihm. Er konnte einen winzigkleinen Funken Leben ausmachen, der immer noch glomm, und so brachte er ihn zu uns herüber. Allerdings im Eilverfahren.“
„Brachte ihn herüber?“
„Machte ihn zum Vampir“, erklärte Bill. „Aber das war ein Fehler. Nach dem, was mir Freunde erzählen, wurde er nie wieder der Alte. Er hat ungefähr so viel Grips wie ein Baumstamm, weshalb er sich mit Gelegenheitsjobs für andere Vampire über Wasser hält. So richtig auf die Öffentlichkeit können wir ihn nicht loslassen, das hast du ja selbst gesehen.“
Ich nickte, und mein Mund stand immer noch offen. Natürlich nicht. „Mein Gott“, murmelte ich. In meinem Garten saß eine königliche Hoheit.
„Also: Vergiß nie, wie dumm und impulsiv er ist. Verbring nicht zu viel Zeit mit ihm allein und nenn' ihn nie anders als Bubba. Ein zusätzliches Problem besteht darin, daß er Haustiere mag, wie er dir ja selbst schon erzählt hat. Er nährt sich fast ausschließlich von Haustieren, wodurch er auch nicht gerade berechenbarer wird. Aber jetzt will ich dir noch erklären, warum ich ihn überhaupt hierher gebracht habe ...“
Ich stand da, die Arme vor der Brust verschränkt, und erwartete Bills
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