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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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verlagerte ich mein Gewicht auf das vordere Bein, zog das andere vorsichtig nach und duckte mich rasch wieder. Fast war es so, als würde ich wieder wie früher als Kind mit Jason im Wald Verstecken spielen.
    Ich betete inbrünstig, es möge bloß nicht Jason sein, mit dem ich da im Wald Verstecken spielte.
    Zuerst diente mir die alte Badewanne, die meine Großmutter noch mit Blumen bepflanzt hatte, als Deckung, dann kroch ich hinüber zu Omas Auto, denn das, so hatte ich mir gedacht, sollte als zweites mein Ziel sein. Ich sah mir den Himmel an: Wir hatten zunehmenden Mond; es war eine sternklare Nacht. Die Luft war schwer und warm; es war immer noch heiß. Schon nach wenigen Minuten waren meine Arme von einer klebrigen Schweißschicht überzogen.
    Der nächste Schritt: vom Auto hinüber zur Mimose.
    Diesmal schaffte ich es nicht, völlig lautlos voranzukommen. Ich stolperte über einen Baumstumpf und prallte hart auf dem Boden auf, wobei ich mich auf die Innenseite der Wange beißen mußte, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Ein heftiger Schmerz durchzuckte mein rechtes Bein und die Hüfte; ich wußte, die rauhen Kanten des Baumstumpfs hatten meinen Oberschenkel schwer mitgenommen.
    Warum nur war ich nie herausgekommen und hatte diesen Stumpf glatt abgesägt? Oma hatte Jason gebeten, das zu tun, aber der hatte einfach nie die Zeit dafür gefunden.
    Da hörte - nein: spürte ich eine Bewegung. Ich schlug alle Vorsicht in den Wind, sprang auf und rannte, so schnell ich konnte, auf die Bäume zu. Jemand brach aus dem Unterholz rechts von mir hervor und stürzte auf mich zu. Aber ich wußte genau, wo ich hinlief und konnte mich schon bald mit einem riesigen Satz, der mich selbst sehr erstaunte, an den untersten Ast des Lieblingskletterbaums unserer Kindheit klammern und mich daran hochziehen. Sollte ich es schaffen, den nächsten Morgen noch zu erleben, dann würde mich bestimmt heftiger Muskelkater plagen, aber immerhin war es die Sache wert. Ich auf dem Ast, versuchte, möglichst geräuschlos zu atmen, und hätte doch am liebsten gekeucht und gestöhnt wie ein Hund, der schlecht träumt.
    Wie sehr ich mir wünschte, dies möge ein Traum sein. Aber es war keiner; kein Weg führte an der Erkenntnis vorbei, daß ich, Sookie Stackhouse, Kellnerin und Gedankenleserin, hier mitten in stockfinsterer Nacht auf einem Ast im Wald hockte, mit nichts weiter bewaffnet als mit einem Taschenmesser.
    Unter mir bewegte sich etwas: Ein Mann schlich durch den Wald. Von seinem Handgelenk baumelte ein Stück Schnur. Jesus hilf! Der Mond war fast voll, aber der Kopf des Mannes blieb hartnäckig im Schatten meines Baumes, und so konnte ich nicht erkennen, wer es war. Er ging unter mir hindurch, ohne mich zu sehen.
    Ich wagte erst wieder zu atmen, als er außer Sicht war. So leise ich konnte, kletterte ich vom Baum und machte mich ganz vorsichtig auf den Weg hinüber zur Straße. Wenn ich es bis zur Straße schaffte, würde ich vielleicht ein Auto anhalten können. Dann mußte ich daran denken, wie selten jemand auf dieser Straße entlangfuhr - vielleicht war es besser, den Weg über den Friedhof hinüber zu Bills Haus zu suchen. Ich dachte an den Friedhof bei Nacht, an den Mörder, der überall nach mir Ausschau hielt. Ich zitterte.
    Wie unsinnig, sich mehr und immer noch mehr zu ängstigen, wo ich mich doch auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren hatte, schalt ich mich selbst energisch. Bei jedem Schritt achtete ich genau darauf, wohin ich meine Füße setzte; ich bewegte mich langsam, vorsichtig.
    Hier im Unterholz zu stürzen würde ziemlichen Lärm machen - dann wäre er in Sekundenschnelle bei mir.
    Etwa zehn Meter südöstlich von dem Baum, auf dem ich gehockt hatte, fand ich die tote Katze. Die Kehle des Tiers war eine einzige klaffende Wunde. Im Mondlicht wirkten alle Farben verwaschen, und so konnte ich noch nicht einmal mehr erkennen, welche Farbe ihr Fell gehabt hatte, aber bei den dunklen Flecken rings um die kleine Leiche handelte es sich ganz eindeutig um Blut. Vorsichtig schlich ich noch ein paar Meter weiter und stieß dann auf Bubba. Er war entweder ohnmächtig oder tot - bei einem Vampir läßt sich der Unterschied so einfach nicht feststellen. Zumindest ragte kein Pfahl aus seinem Herzen, und man hatte ihm auch nicht den Kopf abgeschlagen. Also konnte ich durchaus hoffen, daß er lediglich nicht bei Bewußtsein war.
    Jemand hatte Bubba eine Katze gebracht, der man vorher ein Betäubungsmittel verabreicht hatte. Jemand,

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