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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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wie Bill eines darstellte.
    „Guter Gott, Weib“, schrie Rene, „was hast du mir da angetan?“
    Das war ja nun wirklich ein starkes Stück.
    Rene war mittlerweile völlig in Panik; er fürchtete, entdeckt zu werden, fürchtete ein Ende seiner Spielchen, ein Ende seines Rachefeldzugs.
    „Mädchen wie du, ihr verdient den Tod!“ zischte er. „Du bist in meinem Kopf, ich fühle das genau, du Mißgeburt, du!“
    „Wer ist hier die Mißgeburt?“ zischte ich zurück. „Verrecke, du Schweinehund!“
    Ich hatte nicht gewußt, daß ich zu so etwas in der Lage war. Ich stand neben einem Grabstein, das blutige Messer immer noch in der Hand, und lauerte in Angriffsstellung darauf, daß sich mein Gegner erneut auf mich stürzte.
    Der drehte sich verzweifelt stolpernd im Kreis, und ich sah ihm mit völlig versteinertem Gesicht dabei zu. Ich verschloß mein Denken vor ihm, wollte nicht hören, daß er spürte, wie sich der Tod von hinten an ihn heranschlich. Als er zu Boden ging, stand ich immer noch bereit, ihm das Messer ein zweites Mal in den Leib zu rammen. Dann, als ich ganz sicher sein konnte, daß er sich nicht mehr bewegte, ging ich zu Bills Haus. Ich ging, ich rannte nicht. In jener Nacht sagte ich mir, das sei so, weil ich gar nicht mehr hätte rennen können, aber jetzt, im Nachhinein, bin ich mir da nicht mehr so sicher. Ich sah die ganze Zeit das Bild meiner Oma vor mir, das Rene mit sich herumtrug. Das Bild meiner Oma, wie sie in ihrem eigenen Haus hatte um ihr Leben kämpfen müssen.
    Ich fischte Bills Haustürschlüssel aus meiner Hosentasche, fast ein wenig erstaunt darüber, daß der sich immer noch dort befand.
    Es gelang mir irgendwie, den Schlüssel ins Schloß zu stecken und auch zu drehen. Dann stolperte ich in Bills Wohnzimmer und tastete nach dem Telefon. Meine Finger glitten ein wenig hilflos über die Tasten und versuchten herauszufinden, wo sich die neun befand, wo die eins - 911: die Nummer des Notrufs. Ich schaffte es sogar, die entsprechenden Tasten zu drücken, auch fest genug, daß sie mir mit einem leisen Piepen versicherten, daß ich erfolgreich gewesen war. Dann meldete sich ohne jegliche Vorwarnung mein Bewußtsein ab, und ich sank in Ohnmacht.
    * * *
    Ich wußte, ich war im Krankenhaus, denn ich war umgeben vom sauberen Geruch von Krankenhausbettwäsche.
    Als Nächstes stellte ich fest, daß mir jeder einzelne Knochen wehtat und daß sich irgendwer bei mir im Zimmer aufhielt. Ich öffnete die Augen, was mir beträchtliche Mühe bereitete.
    Es war Andy Bellefleur. Sein kantiges Gesicht wirkte womöglich noch erschöpfter als beim letzten Mal, als ich ihn gesehen hatte.
    „Kannst du mich hören?“ wollte er wissen.
    Ich nickte, nur eine winzigkleine Bewegung, bei der aber dennoch ein heftiger Schmerz durch meinen ganzen Kopf zuckte.
    „Wir haben ihn“, hob Andy an, und dann wollte er mir noch viel mehr erzählen, aber ich schlief wieder ein.
    Als ich erneut erwachte, war es Tag, und ich fühlte mich viel wacher als beim Mal zuvor.
    Auch jetzt war jemand bei mir im Zimmer.
    „Wer ist da?“ erkundigte ich mich flüsternd, und selbst diese drei Worte taten unendlich weh.
    Aus einem Stuhl in der Ecke erhob sich daraufhin Kevin, rollte das Kreuzworträtselheft zusammen, mit dem er sich beschäftigt hatte, und steckte es in die Tasche seiner Uniformjacke.
    „Wo ist Kenya?“ flüsterte ich.
    Er grinste mich völlig unerwartet an. „Sie war ein paar Stunden lang hier“, erklärte er. „Sie wird bald zurück sein. Ich habe sie nur ein wenig abgelöst, damit sie Mittagessen gehen kann.“
    Kevins dünnes Gesicht, ja, sein ganzer magerer Körper drückten nichts als Zustimmung und Bewunderung aus. „Sie sind wirklich eine ziemlich zähe Dame!“ teilte er mir nun mit.
    „Besonders zäh fühle ich mich aber nicht“, brachte ich mühsam hervor.
    „Sie sind ziemlich schwer verletzt“, verkündete er, als wäre mir das etwas Neues.
    „Rene.“
    „Wir fanden ihn auf dem Friedhof“, beruhigte mich Kevin. „Sie hatten ihn ziemlich schwer erwischt, aber er war immer noch bei Bewußtsein und hat uns erzählt, daß er versucht hat, Sie umzubringen.“
    „Gut.“
    „Es schien ihm wirklich sehr leid zu tun, daß er sein Werk nicht hatte vollenden können. Ich kann kaum glauben, daß er uns das alles so erzählt hat, aber er hatte wohl große Schmerzen und ziemlich viel Angst, als wir bei ihm ankamen. Er hat uns erzählt, die ganze Sache sei Ihre Schuld, Sie hätten sich einfach nicht

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