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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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angeschwollen. Mein rechtes Auge war fast zugeschwollen. Ich erschauderte bei meinem eigenen Anblick, und selbst das tat weh. Meine Beine - ach, zum Teufel: Die mochte ich mir noch nicht einmal ansehen. Ganz vorsichtig ließ ich mich in die Kissen sinken und wünschte, der Tag wäre bereits vorbei. Wahrscheinlich würde es mir in ungefähr vier Tagen wieder prima gehen. Arbeit! Wann konnte ich wieder zur Arbeit gehen?
    Ein leises Klopfen an der Tür lenkte mich ab. Noch so ein verdammter Besucher! Diesmal war es jemand, den ich nicht kannte. Eine ältere Dame mit blauem Haar und einer Brille mit rotem Gestell schob einen Rollwagen ins Zimmer. Sie trug den gelben Kittel, den die 'Sonnenscheindamen' genannten freiwilligen Helferinnen des Krankenhauses bei der Arbeit tragen mußten.
    Der Rollwagen lag voller Blumen für die Patienten in diesem Stockwerk.
    „Ich bringe Ihnen einen Ladung guter Wünsche!“ zwitscherte die sonnige Dame fröhlich.
    Ich lächelte, aber dies Lächeln war wohl ziemlich abschreckend, denn die Fröhlichkeit meiner Besucherin nahm bei seinem Anblick deutlich ab.
    „Die hier sind für Sie“, fuhr sie dann geschäftig fort und hob einen mit einer roten Schleife verzierten Blumentopf vom Wagen. „Hier ist auch eine Karte. Lassen Sie mich sehen - die hier sind auch für Sie ...“ Diesmal handelte es sich um einen Strauß: rosa Rosen, rosa Nelken und weißes Schleierkraut. Auch von diesem zupfte die Dame die Karte ab. Dann ließ sie ihren Blick abschließend noch einmal über den Rollwagen gleiten, um entzückt auszurufen: „Sie haben aber auch wirklich Glück! Hier sind noch mehr Blumen für Sie!“
    Im Mittelpunkt der dritten Gabe stand eine bizarre rote Blume, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, umgeben von anderen, mir eher vertrauten Blüten. Diesen Strauß betrachtete ich ein wenig mißtrauisch. Die Sonnenscheindame überreichte mir pflichtbewußt die Karte, die sie aus der Plastikklammer am Strauß genommen hatte.
    Nachdem sich der freiwillige Sonnenschein aus meinem Zimmer gelächelt hatte, öffnete ich die drei winzigen Umschläge, wobei ich trocken feststellen mußte, daß sich meine Beweglichkeit offenbar in dem Maße besserte, wie meine Laune sich hob.
    Die Topfpflanze war von Sam und 'all deinen Kollegen im Merlottes' . Abgefaßt hatte sie Sam. Gerührt strich ich über die glänzenden Blätter und fragte mich, wo ich den Topf hinstellen sollte, wenn ich wieder zu Hause war. Die Schnittblumen waren von Sid Matt Lancaster und Elva Deene Lancaster - pfui. Das Arrangement mit der merkwürdigen roten Blüte im Mittelpunkt (ich fand inzwischen, die Blume sähe fast schon obszön aus, wie das Geschlechtsteil einer Dame) war eindeutig das interessanteste der drei. Ich öffnete neugierig die dazugehörige Karte. Sie enthielt nur eine Unterschrift: „Eric.“
    Das hatte mir gerade noch gefehlt. Woher zum Teufel wußte er, daß ich im Krankenhaus lag? Warum hatte ich von Bill noch nichts gehört?
    Nach etwas köstlicher roter Götterspeise zum Abendbrot konzentrierte ich mich ein paar Stunden lang auf das Fernsehen, denn zu lesen hatte ich nichts dabei, und ich wußte auch nicht, ob meine Augen überhaupt imstande gewesen wären zu lesen. Meine Prellungen und blauen Flecken wirkten stündlich charmanter, und ich fühlte mich hundemüde, auch wenn ich den ganzen Tag nicht weiter gegangen war als einmal zur Toilette und zweimal ein wenig im Zimmer umher. Ich schaltete den Fernseher aus und drehte mich auf die Seite. Bald schlief ich ein, woraufhin der Schmerz aus meinem Körper in meine Träume sickerte. Ich hatte Alpträume. In diesen Alpträumen rannte ich; ich rannte über den Friedhof, wobei ich um mein Leben bangte; ich fiel über Grabsteine in offene Gräber; ich traf alle, die ich gekannt hatte und die auf diesem Friedhof begraben lagen: meinen Vater, meine Mutter, meine Oma, Maudette, Dawn Green und sogar einen Freund aus Kindertagen, der bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen war. Ich suchte verzweifelt nach einem bestimmten Grabstein, denn wenn ich den fand, würde ich in Sicherheit sein. Wenn ich den fand, würden alle wieder in ihren Gräbern verschwinden und mich in Ruhe lassen. Ich rannte von einem Grabstein zum anderen, legte meine Hand auf jeden einzelnen, hoffte inständig, dieser eine möge der richtige sein, winselte vor Angst.
    „Süße, du bist in Sicherheit!“ ertönte da eine vertraute, kühle Stimme.
    „Bill“, murmelte ich. Ich wandte mich zu einem Grabstein,

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