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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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gerettet hatte, aber ich war dazu nicht in der Lage. Ich hörte mich aufseufzen, und der Seufzer schien von unendlich weit her zu kommen.
    Da stellte ich mich den Tatsachen und sagte: „Ich sterbe.“ Denn daß es so war, schien mir von Sekunde zu Sekunde wahrscheinlicher, realer. Die Frösche und Zikaden, die sich zuvor die Nachtstunden nach besten Kräften zunutze gemacht hatten, waren verstummt, als all der Lärm und die Hektik auf dem Parkplatz losgegangen war - insofern war mein leises Stimmchen gut zu hören und drang in die Stille der dunklen Nacht. Merkwürdigerweise hörte ich kurz darauf zwei Stimmen.
    Dann kamen zwei in blutverschmierte Jeans gehüllte Knie in Sicht, und der Vampir Bill beugte sich über mich, so daß ich ihm ins Gesicht sehen konnte. Sein Mund war blutverschmiert, und die ausgefahrenen Fangzähne glitzerten weiß über der Unterlippe. Ich versuchte, ihm zuzulächeln, aber meine Gesichtsmuskeln funktionierten nicht richtig.
    „Ich werde Sie jetzt hochheben“, sagte Bill und klang bei diesen Worten ganz ruhig.
    „Wenn Sie das tun, sterbe ich“, flüsterte ich.
    Bill musterte mich prüfend von oben bis unten. „Nicht gleich“, meinte er dann, als er seine Einschätzung vorgenommen hatte. Danach ging es mir merkwürdigerweise sofort besser, denn, so dachte ich mir, er kannte sich mit Verletzungen bestimmt aus. Sicher hatte er im Laufe seines langen Lebens einige zu Gesicht bekommen.
    „Das wird jetzt wehtun“, warnte er mich.
    Aber ich konnte mir kaum etwas vorstellen, was in dieser Situation nicht weh getan hätte.
    Ehe ich noch Zeit hatte, mich vor neuen Schmerzen zu fürchten, hatte er schon beide Arme unter mich geschoben. Ich schrie, mein Schrei jedoch war so schwach, daß er kaum zu hören war.
    „Schnell!“ drängte eine Stimme.
    „Wir gehen nach hinten in den Wald, wo niemand uns sehen kann“, sagte Bill, während er meinen Körper vorsichtig an sich drückte, als wöge er gar nichts.
    Wollte er mich etwa da hinten außer Sichtweite einfach verscharren? Nachdem er mich gerade vor den Ratten gerettet hatte? Aber irgendwie war mir das fast schon egal.
    Als er mich dann in der Dunkelheit des Waldes auf einen Teppich aus Kiefernnadeln bettete, fühlte ich mich nur unwesentlich erleichtert. Ich sah in der Ferne das eine Licht auf dem Parkplatz schimmern. Ich spürte, wie mir Blut aus dem Haaransatz sickerte und spürte auch den Schmerz in meinem gebrochenen Arm und den all der anderen Verletzungen, aber das, was mir am meisten Angst machte war das, was ich nicht spürte.
    Ich konnte meine Beine nicht spüren.
    Mein Unterleib fühlte sich voll an, schwer. In meinem Kopf - in dem, was von meinem Kopf noch funktionierte - hatte sich der Gedanke „innere Blutungen“ festgesetzt.
    „Sie werden sterben, wenn Sie nicht genau das tun, was ich Ihnen sage“, verkündete Bill.
    „Tut mir leid, will kein Vampir sein“, murmelte ich, und meine Stimme klang unendlich dünn und schwach.
    „Nein, das werden Sie auch nicht“, sagte er deutlich sanfter. „Aber Ihre Wunden werden sehr rasch heilen. Ich kann Sie heilen. Aber Sie müssen dazu bereit sein.“
    „Dann fahren Sie Ihre Künste auf“, flüsterte ich. „Ich bin bereit.“ Denn schon fühlte ich das Grau nach mir greifen.
    Als nächstes hörte der Teil meines Kopfes, der noch die Signale der Welt auffing, wie Bill aufstöhnte, als sei er verletzt worden. Dann wurde etwas gegen meinen Mund gedrückt.
    „Trinken Sie“, sagte der Vampir.
    Ich versuchte, die Zunge vorzustrecken, und es gelang mir auch. Bill blutete und preßte um die Wunde an seinem Handgelenk die Haut zusammen, um das Blut schneller in meinen Mund fließen zu lassen. Ich mußte würgen. Aber ich wollte leben. So zwang ich mich zum Schlucken und schluckte noch einmal.
    Plötzlich schmeckte das Blut wunderbar, salzig, der Stoff, aus dem Leben gemacht ist. Mein ungebrochener Arm hob sich, meine Hand preßte das Handgelenk des Vampirs an meinen Mund. Mit jedem Schluck ging es mir besser. Nach etwa einer Minute sank ich in einen leichten Schlummer.
    Als ich erwachte, befand ich mich immer noch im Wald, lag immer noch auf dem Kiefernteppich. Jemand lag neben mir; der Vampir. Ich sah sein Schimmern und spürte, wie seine Zunge mir über den Kopf fuhr. Er leckte meine Kopfwunde, was ich ihm wohl kaum verdenken konnte.
    „Schmecke ich anders als andere Menschen?“ fragte ich.
    „Ja“, antwortete er mit belegter Stimme. „Was sind Sie?“
    Er hatte zum dritten Mal

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