Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
hätte gern gewußt, wie alt Sie sind“, erwiderte ich zögernd, denn ich konnte nicht wissen, ob diese Frage, wenn man sie einem Vampir stellte, nicht einfach viel zu persönlich war. Der fragliche Vampir streichelte meinen Rücken, als wolle er ein kleines Kätzchen beruhigen.
    „Ich wurde 1870 zum Vampir; ich zählte dreißig Menschenjahre.“ Ich sah auf; Bills Gesicht mit der schimmernden Haut wirkte vollkommen ausdruckslos, die Augen waren schwarze Brunnen in der Dunkelheit des Waldes.
    „Haben Sie im Krieg gekämpft?“ „Ja.“
    „Ich bekomme so das Gefühl, daß Sie gleich böse werden. Es würde aber meine Oma und ihren Verein wirklich sehr glücklich machen, wenn Sie ihnen ein wenig vom Krieg erzählen könnten, davon, wie er wirklich war.“
    „Verein?“
    „Sie gehört zu den Nachkommen ruhmreicher Toter.“
    „Ruhmreicher Toter“. Der Stimme des Vampirs ließ sich nicht entnehmen, was dieser gerade dachte, aber ich meinte ganz sicher zu spüren, daß er nicht gerade erfreut war.
    „Von den Maden und den infizierten Wunden und dem Hunger brauchen Sie ja nichts zu erzählen“, sagte ich hastig. „Die Leute im Verein haben ihre eigene Vorstellung vom Krieg und auch wenn es keine dummen Leute sind - sie haben andere Kriege miterlebt - würden sie doch gern mehr darüber erfahren, wie die Menschen damals gelebt haben, und über die Uniformen und die Truppenbewegungen.“
    „Saubere Sachen.“
    Ich holte tief Luft. „Genau.“
    „Würde es Sie glücklich machen, wenn ich dieser Bitte nachkäme?“
    „Was macht das für einen Unterschied? Es würde meine Oma glücklich machen, und wo Sie schon einmal in Bon Temps sind und offenbar ja auch hier in der Gegend bleiben wollen, wäre es für Sie ein guter Schachzug in puncto Öffentlichkeitsarbeit.“
    „Würde es Sie glücklich machen?“
    Bill war offensichtlich nicht der Typ, bei dem man sich herausreden konnte. „Ja, doch, würde es.“
    „Dann werde ich es machen.“
    „Meine Oma läßt Sie bitten, vor dem Treffen zu essen.“
    Wieder erklang das rostige Lachen, diesmal tiefer.
    „Jetzt freue ich mich richtig darauf, Ihre Großmutter kennenzulernen. Darf ich Sie einmal abends besuchen?“
    „Äh. Sicher. Morgen arbeite ich, dann habe ich zwei Tage frei. Donnerstag wäre gut.“ Ich hob den Arm und sah auf die Uhr. Sie ging noch, aber das Uhrglas war mit getrocknetem Blut verklebt. „Igitt!“ sagte ich, spuckte auf meinen Zeigefinger und reinigte es. Dann drückte ich auf den Knopf, der das Zifferblatt aufleuchten läßt und stieß erschrocken einen Schrei aus, als ich sah, wie spät es bereits war.
    „Mein Gott, ich muß nach Hause! Ich hoffe nur, meine Oma hat sich schon schlafen gelegt!“
    „Sie wird sich Sorgen machen, weil Sie immer so spät in der Nacht allein unterwegs sind“, meinte Bill, und das klang so als mißbillige er, daß ich allein in der Nacht unterwegs war. Dachte er an Maudette? Einen Moment lang spürte ich eine tiefe Verunsicherung, und ich fragte mich, ob Bill Maudette gekannt hatte, ob sie ihn zu sich nach Hause eingeladen hatte. Aber ich verwarf die Überlegung rasch wieder, weil ich auf die mir eigene dickköpfige Art beschlossen hatte, mir um Maudette und ihren schrecklichen, merkwürdigen Tod und ihr Leben davor keine Gedanken zu machen. Ich wollte nicht, daß die Schrecken dieses Lebens, dieses Sterbens, einen Schatten auf mein kleines Fitzelchen Glück warfen.
    „Meine Arbeit bedingt das nun einmal“, sagte ich knapp. „Da kann man nichts machen, und ich arbeite auch nicht ausschließlich nachts. Aber so oft ich kann, tue ich es.“
    „Warum?“ Der Vampir versetzte mir einen kleinen Schubs, um mir aufzuhelfen und erhob sich dann mühelos selbst.
    „Bessere Trinkgelder. Mehr zu tun. Keine Zeit zum Nachdenken.“
    „Aber die Nächte sind auch gefährlicher“, meinte Bill kritisch.
    Er mußte es ja wissen. „Sie hören sich schon an wie meine Großmutter! schalt ich ihn sanft. Mittlerweile waren wir fast auf dem Parkplatz angekommen.
    „Ich bin älter als ihre Großmutter“, erinnerte er mich. Damit war die Unterhaltung mit einem Schlag beendet.
    Als ich aus dem Wald heraustrat, blieb ich baß erstaunt stehen und blickte um mich. Der Parkplatz lag so ruhig und unberührt da, als hätte sich hier nie etwas ereignet, als sei nicht ich selbst auf eben diesem Streifen Asphalt vor einer knappen Stunde fast zu Tode geprügelt worden, als hätten die Ratten hier kein blutiges Ende gefunden.
    Weder in

Weitere Kostenlose Bücher