Vorübergehend tot
der Kneipe noch in Sams Wohnwagen brannte Licht.
Der Kies war feucht, aber es war kein Blut zu erkennen.
Meine Handtasche thronte auf der Kühlerhaube meines Wagens.
„Was ist mit dem Hund?“ fragte ich.
Ich drehte mich zu meinem Retter um.
Er war nicht mehr da.
Kapitel 2
Am nächsten Morgen stand ich sehr spät auf - was wohl niemanden wundern wird. Zu meiner großen Erleichterung hatte meine Oma schon geschlafen, als ich in der Nacht nach Hause gekommen war, und so hatte ich einfach ins Bett klettern können, ohne sie zu wecken.
* * *
Ich saß gerade mit einer Tasse Kaffee am Küchentisch, und Oma räumte die Speisekammer auf, als das Telefon klingelte. Oma ging hinüber zur Anrichte, pflanzte ihren Po auf den hohen Stuhl, der dort steht, wie sie es immer zu tun pflegt, wenn sie in Ruhe am Telefon plaudern will, und nahm ab.
„Ja? Bitte?“ meldete sie sich. Aus irgendeinem Grunde hörte sich Oma stets an, als sei ein Anruf das letzte, was sie gerade gebrauchen könnte. Ich wußte aus Erfahrung, daß dem nicht so war.
„Hey, Everlee. Nein, ich sitze hier und unterhalte mich mit Sookie, sie ist gerade aufgestanden. Nein, ich habe heute noch keine Nachrichten gehört. Nein, bisher hat mich niemand angerufen. Was? Welcher Tornado? Die letzte Nacht war doch sternenklar! Four Track Corners? Nein! Nein! Wirklich, gleich beide? Oh! Oh! Oh Gott! Was sagt Mike Spencer dazu?“
Mike Spencer war der amtliche Leichenbeschauer unserer Gemeinde. Ich spürte, wie es mir kalt über den Rücken lief. Ich trank meinen Kaffee aus und füllte die Tasse gleich wieder, denn ich würde das Koffein bestimmt gebrauchen können.
Wenig später legte meine Oma den Hörer auf und wandte sich zu mir um. „Sookie, du kannst dir nicht vorstellen, was passiert ist!“
Ich wäre jede Wette eingegangen, daß ich mir das durchaus vorstellen konnte.
„Was denn?“ fragte ich vorsichtig, bemüht, nicht allzu schuldbewußt zu wirken.
„Das Wetter gestern war doch ruhig, nicht? Kam einem wenigstens so vor? Trotzdem muß durch die Gegend von Four Tracks Corner ein Wirbelsturm gefegt sein! Der Wohnwagen, der dort auf der Lichtung steht, ist umgekippt, und das Paar, das ihn gemietet hatte, muß irgendwie unter den Wagen geraten sein - jedenfalls lagen die beiden völlig zu Mus zerquetscht darunter. Mike sagt, so etwas hat er noch nie in seinem Leben gesehen.“
„Leitet er die Leichen weiter, zur Autopsie?“
„Das wird er wohl müssen, nehme ich an. Auch wenn Stella sagt, die Todesursache läge eigentlich auf der Hand. Der Wohnwagen ist auf die Seite gekippt, das Auto der beiden liegt mehr oder weniger oben auf dem Wohnwagen, und ringsumher sind Bäume entwurzelt worden.“
„Mein Gott!“ flüsterte ich und dachte an die Kraft, die vonnöten gewesen war, eine solche Szenerie zu arrangieren. „Meine Kleine! Du hast mir noch gar nicht erzählt, ob dein Freund, der Vampir, gestern abend bei euch im Lokal war.“
Schuldbewußt zuckte ich zusammen, aber dann war mir rasch klar, daß Oma einfach nur das Thema gewechselt hatte. Dieselbe Frage hatte sie mir inzwischen jeden Tag gestellt, und jetzt endlich konnte ich ihr berichten, daß ich Bill in der Tat gesehen hatte. Aber leichten Herzens gab ich ihr die Auskunft nicht.
Wie vorherzusehen gewesen war, geriet Oma bei der Nachricht völlig aus dem Häuschen und flatterte in der Küche umher, als handle es sich bei dem Gast, der uns ins Haus stand, um Prinz Charles.
„Morgen abend will er kommen? Um welche Zeit denn?“ wollte sie wissen.
„Nach Einbruch der Dunkelheit. Auf eine nähere Angabe konnte ich ihn nicht festnageln.“
„Wir haben Sommerzeit, das kann also spät werden.“ Oma dachte laut nach. „Dann können wir vorher zu Abend essen und in Ruhe abwaschen und haben den ganzen morgigen Tag zum Saubermachen. Ich wette, diesen Teppich da habe ich schon ein Jahr lang nicht mehr richtig ausgeklopft.“
„Oma, wir reden von einem Typen, der den Tag unter der Erde verbringt!“ rief ich ihr ins Gedächtnis. „Ich glaube nicht, daß er den Teppich überhaupt auch nur bemerkt.“
Aber auch darauf wußte meine Oma eine Erwiderung: „Dann mache ich eben nicht seinetwegen sauber, sondern meinetwegen, damit ich stolz auf mich sein kann.“ Dagegen ließ sich nichts mehr einwenden. „Außerdem, junge Frau“, fuhr sie fort, „woher weißt du denn, wo er schläft?“
„Gute Frage. Ich gebe zu, daß ich das gar nicht weiß. Aber er darf auf keinen Fall ans
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