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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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war Rene jedoch eher dunkelhäutig, mit einer buschigen Mähne dicken, schwarzen Haars, durch das sich bereits die ersten grauen Strähnen zogen. Rene kam oft zu uns in die Kneipe, um ein Bier zu trinken und Arlene Gesellschaft zu leisten, die ihm, wie er gern allen Anwesenden erklärte, von seinen Ex-Frauen die liebste war. Rene hatte drei Ex-Frauen. Im Vergleich zu Rene war Hoyt Fortenberry nichtssagend: weder rosig noch dunkel, weder groß noch klein. Hoyt wirkte stets fröhlich und gab anständige Trinkgelder. Er bewunderte meinen Bruder Jason weit mehr, als der es meiner Meinung nach verdiente.
    Ich war froh, daß Rene und Hoyt in der Nacht, in der der Vampir zurückkam, nicht in der Kneipe waren.
    Er saß wieder am selben Tisch.
    Nun, wo ich ihn leibhaftig vor mir hatte, fühlte ich mich plötzlich ein wenig schüchtern. Ich stellte fest, daß ich vergessen hatte, wie seine Haut sanft, kaum wahrnehmbar, schimmerte. Dafür hatte mich mein Gedächtnis belogen und leicht übertrieben, was seine Größe und den scharf geschnittenen Schwung seines Mundes betraf.
    „Was kann ich für Sie tun?“ fragte ich den Vampir.
    Er sah zu mir auf. Auch wie unendlich tief seine Augen waren, hatte ich vergessen. Er lächelte nicht und zuckte mit keiner Wimper, er saß einfach völlig unbeweglich da, und erneut entspannte ich mich in seinem Schweigen. Ich ließ mein Visier sausen und spürte, wie meine Gesichtsmuskeln sich entkrampften. So angenehm muß eine Massage sein, dachte ich mir.
    „Was sind Sie?“ fragte er mich nun. Das wollte er jetzt bereits zum zweiten Mal wissen.
    „Kellnerin“, antwortete ich, womit ich seine Frage auch diesmal wieder absichtlich falsch verstand. Gleich darauf spürte ich mein Lächeln, das wieder einrastete, und mein kleiner Moment Frieden mit der Welt war vorüber.
    „Rotwein“, bestellte er, und wenn er enttäuscht war, hörte ich es ihm nicht an.
    „Klar“, sagte ich. „Das synthetische Blut kommt bestimmt morgen mit der nächsten Lieferung. Könnte ich nach der Arbeit kurz mit Ihnen sprechen? Ich würde Sie gern um einen Gefallen bitten.“
    „Natürlich. Ich stehe in Ihrer Schuld.“ Es war dem Vampir deutlich anzuhören, daß ihm das ganz und gar nicht paßte.
    „Es geht nicht um einen Gefallen für mich“, sagte ich, nun auch ein wenig verärgert. „Es geht um einen Gefallen für meine Oma. Um halb zwei habe ich Feierabend. Wenn Sie dann noch auf sind - und ich nehme doch an, Sie sind dann noch auf? - würde es Ihnen viel ausmachen, mich beim Angestellteneingang abzuholen? Er ist an der Rückseite des Hauses.“ Mit einem Nicken wies ich auf die entsprechende Tür, und mein Pferdeschwanz hüpfte in meinem Nacken hin und her. Bills Augen folgten der Bewegung meines Haars.
    „Es wäre mir ein Vergnügen.“
    Ich wußte nicht, ob er mit dieser Bemerkung die Höflichkeitsformen wahrte, die meiner Oma zufolge in längst vergangenen Zeiten gang und gäbe gewesen waren, oder ob er sich einfach nur auf die gute alte Weise über mich lustig machen wollte.
    Ich widerstand der Versuchung, ihm die Zunge herauszustrecken oder eine Kußhand zuzuwerfen. Statt dessen machte ich auf dem Absatz kehrt und eilte mit energischen Schritten zurück zum Tresen. Ich brachte ihm seinen Wein, kassierte, und er gab mir 20 Prozent Trinkgeld. Als ich bald darauf einmal zu seinem Tisch hinübersah, mußte ich feststellen, daß er bereits wieder verschwunden war. Ich fragte mich, ob er Wort halten und mich wirklich abholen würde.
    Später führte eins zum anderen, und so kam es, daß Arlene und Dawn früher gehen konnten als ich. Besonders lange hielt mich die Tatsache auf, daß sich auf allen meinen Tischen so gut wie keine Papierservietten mehr in den dafür vorgesehenen Behältnissen befanden. Als ich endlich soweit war, meine Handtasche aus dem verschließbaren Schrank in Sams Büro holen zu können, in dem ich sie während der Arbeit aufbewahrte, rief ich vom Büro aus meinem Chef einen Abschiedsgruß zu. Ich konnte ihn in der Männertoilette rumoren hören; wahrscheinlich versuchte er, den lecken Schwimmerkasten dort zu reparieren. Dann ging ich kurz in den Waschraum der Damen, um nachzusehen, ob mit meiner Frisur und meinem Make-up noch alles stimmte.
    Schließlich trat ich vor die Tür, wo mir sofort auffiel, daß Sam die Lampen auf dem Kundenparkplatz bereits ausgeschaltet hatte und nur die Sicherheitsleuchte auf dem Mast vor seinem Wohnwagen noch Licht auf den Angestelltenparkplatz warf. Arlene

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