Vorübergehend tot
Tankstelle getankt habe, in der sie gearbeitet hat ... immer wieder dieselben Fragen, als hätte ich ihm das nicht schon fünfundsiebzig mal erzählt. Mein Chef sieht sich das nicht mehr lange an, Sookie, und ich kann ihm da keinen Vorwurf machen. Ich habe insgesamt bestimmt schon zwei, wenn nicht sogar drei Tage nicht gearbeitet, wenn man diese ganzen Fahrten zur Polizeiwache zusammenzählt...“
„Vielleicht solltest du dir einen Anwalt besorgen“, meinte ich ein wenig besorgt.
„Das sagt Rene auch.“
Dann waren Rene Lenier und ich in diesem Punkt ja einer Meinung.
„Was hältst du von Sid Matt Lancaster?“ Sidney Matthew Lancaster war ein Sohn unserer Stadt, trank am liebsten Whiskey Sour und stand im Ruf, der aggressivste Strafverteidiger der Gegend zu sein. Ich konnte ihn gut leiden, denn er behandelte mich immer höflich und respektvoll, wenn ich ihn bediente.
„Mag sein, daß ich mit Sid am besten fahre.“ Jason sah so verdrießlich aus und blickte so finster drein, wie es einem hübschen jungen Mann nur möglich ist. Wir sahen einander an. Wir beide wußten genau daß Omas Anwalt, sollte Jason - Gott behüte - verhaftet werden, zu alt war, um mit der Sache fertig zu werden.
Jason war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um irgendwelche Veränderungen an mir wahrzunehmen, aber die Tatsache war die, daß ich an diesem Tag nicht mein übliches T-Shirt mit abgerundetem Ausschnitt trug, sondern ein Polohemd, dessen Kragen meinen Hals ein wenig abdeckte. Arlene war nicht so blind wie mein Bruder. Sie hatte mir schon den ganzen Morgen über Blicke zugeworfen, und als es gegen drei ein wenig ruhiger wurde, war sie zu dem Schluß gekommen, sie wüßte nun über alles Bescheid.
„Na, Mädel?“ fragte sie. „Hast du dich vergnügt?“
Ich wurde feuerrot. 'Vergnügt' - das ließ die Beziehung zwischen Bill und mir so leicht klingen, aber irgendwie hatten wir ja genau das getan. Ich überlegte, ob ich mich aufs hohe Roß schwingen und vornehm erwidern sollte, nein, wir hätten uns nicht amüsiert, wir hätten Liebe gemacht, oder ob ich ganz einfach den Mund halten oder Arlene sagen sollte, das ginge sie gar nichts an, oder ob ich aus voller Kehle, so daß alle es hören konnten, schreien sollte: „Ja!“
„Sookie! Wie heißt der Mann?“
Oh je. „Weißt du, er ist nicht... “
„Nicht hier aus der Gegend? Gehst du mit einem von diesen Soldaten aus Bosier City?“
„Nein“, sagte ich zögernd.
„Mit Sam? Ich habe gesehen, wie er dich ansieht.“
„Nein.“
„Mit wem denn dann?“
Ich stellte mich ja an, als würde ich mich schämen! Brust raus, Sookie Stackhouse, schalt ich mich innerlich. Steh gefälligst zu der Sache!
„Bill“, verkündete ich und hoffte insgeheim und wider besseres Wissen, Arlene würde daraufhin einfach nur: „Ach ja?“ sagen.
„Bill ...“ erwiderte meine Freundin jedoch verständnislos. Aus dem Augenwinkel hatte ich wahrgenommen, daß Sam langsam näher an uns beide herangetreten war. Dasselbe galt auch für Charlsie. Selbst Lafayette hatte den Kopf durch die Durchreiche gesteckt.
„Bill“, wiederholte ich und strengte mich sehr an, ruhig und gelassen zu klingen. „Du weißt doch: Bill.“
„Bill Auberjunois?“
„Nein.“ „Bill...“
„Bill Compton“, sagte Sam tonlos, als ich gerade den Mund aufmachen wollte, um dasselbe zu sagen. „Vampirbill.“
Arlene wirkte baß erstaunt. Charlsie Tooten stieß einen kleinen Schrei aus, und Lafayette fiel der Unterkiefer herunter.
„Aber Herzchen, konntest du dir nicht einen normalen Mann aussuchen?“ fragte Arlene, als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.
„Von den normalen Männern hat keiner gefragt.“ Ich spürte deutlich, daß das Rot auf meinen Wangen einfach nicht verblassen wollte, und so stand ich da, kerzengerade, hoch aufgerichtet, fühlte mich sehr trotzig und sah höchstwahrscheinlich auch so aus.
„ Aber Schatz“, flötete Charlsie Tooten mit ihrer hohen Babystimme, „Schätzchen, Bill hat doch ... dieses Virus.“
„Das weiß ich“, erwiderte ich und hörte selbst, wie scharf meine Stimme klang.
„Ich habe schon gedacht, gleich erzählt sie uns, sie geht mit einem Schwarzen, aber du hast ja glatt noch einen draufgelegt“, kommentierte Lafayette und pulte an seinem Nagellack.
Sam sagte gar nichts. Er stand einfach nur gegen den Tresen gelehnt da, und um seinen Mund zeichnete sich eine dünne weiße Linie ab, als würde er sich innen auf die Wangen beißen.
Ich
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