Vorübergehend tot
starrte sie alle der Reihe nach an und zwang sie dazu, entweder runterzuschlucken, was sie in der Birne hatten, oder aber es auszuspucken.
Arlene kam als erste darüber hinweg. „Na denn! Soll er dich bloß anständig behandeln, sonst zücken wir unsere Holzpflöcke.“
Darüber lachten dann alle, auch wenn es ein wenig gequält klang.
„Was du da an Lebensmitteln sparst!“ verkündete Lafayette begeistert.
Aber dann kam Sam und machte mit einem Schlag alles kaputt, das ganze zaghafte Akzeptieren, indem er plötzlich neben mich trat und mir den Hemdkragen herunterzog.
Das Schweigen meiner Freunde hätte man mit dem Messer schneiden können.
„Ach du liebe Scheiße“, sagte Lafayette ganz, ganz leise.
Ich sah Sam direkt in die Augen und dachte, daß ich ihm das nie verzeihen würde.
„Rühr meine Klamotten nicht an!“ sagte ich fest, trat einen Schritt zurück und richtete den Hemdkragen wieder auf. „Laß die Finger von meinem Privatleben.“
„Ich mache mir doch nur Sorgen um dich“, erwiderte Sam, während Arlene und Charlsie sich rasch etwas zu tun suchten und sich verdrückten.
„Nein, das tust du nicht!“ gab ich zurück. „Zumindest ist das nur ein Teil der Sache. Du bist einfach sauer. Hör gut zu, Kumpel: Du rangierst bei mir noch nicht mal unter ferner liefen.“
Dann stolzierte ich davon, um ein paar Tische abzuwischen, die gerade abgeräumt worden waren. Danach sammelte ich alle Salzstreuer ein und füllte sie auf. Dann überprüfte ich alle Pfefferstreuer und die Flaschen mit Tabascosauce und scharfer Pfeffersauce auf allen Tischen und auch in allen Nischen. Ich arbeitete vor mich hin und achtete auf nichts anderes. Langsam kühlte sich die Atmosphäre auch wieder ab.
Sam war in seinem Büro und erledigte Bürokram oder tat sonst etwas, was, war mir egal, solange er seine Meinung für sich behielt. Mir war zumute, als hätte er einen Vorhang hochgezogen und eine private Ecke meines Lebens zur Schau gestellt, als er meinen Hals entblößte. Ich hatte ihm nicht vergeben. Arlene und Charlsie hatten sich, genau wie ich, etwas zu tun gesucht, und als sich das Lokal mit den frühen Abendgästen füllte, die sich auf dem Nachhauseweg einen Schluck genehmigen wollten, fühlten wir alle uns wieder relativ wohl miteinander.
Arlene folgte mir auf die Damentoilette. „Hör mal, Sookie, ich muß das fragen: Sind Vampire wirklich so, wie man ihnen nachsagt? Als Liebhaber, meine ich?“
Daraufhin lächelte ich nur.
Auch Bill kam an diesem Abend ins Lokal, gleich nach dem Dunkelwerden. Ich hatte länger gearbeitet, da eine der Kellnerinnen, die die Frühschicht ablösen sollten, Probleme mit ihrem Wagen hatte und später kommen würde. Bill tauchte auf wie immer: In einem Moment ahnte man noch nichts von ihm, im nächsten war er bereits an der Tür und wurde nur langsamer, damit ich sehen konnte, wie er sich näherte.
Wenn Bill Bedenken gehabt hatte, unsere Beziehung publik werden zu lassen, dann ließ er sich das zumindest nicht anmerken. Er hob meine Hand an seine Lippen und küßte sie, eine Geste, die bei jedem anderen so gekünstelt und falsch wie nur irgend etwas gewirkt hätte. Als seine Lippen meinen Handrücken berührten, spürte ich es bis hinunter in die Zehen und wußte, daß Bill das mitbekommen hatte.
„Wie geht es dir heute abend“, flüsterte er mir zu, und ich zitterte.
„Etwas ... “ Ich bekam kein einziges Wort heraus.
„Vielleicht erzählst du es mir später“, schlug er vor. „Wann bist du hier fertig?“
„Sobald Susie da ist.“
„Komm doch bei mir vorbei.“
„Ja, gern.“ Ich lächelte zu ihm auf, wobei mir ganz strahlend und beschwingt zumute war.
Bill lächelte zurück, wobei er seine Fänge zeigte, denn mich so direkt vor sich zu sehen hatte bei ihm Empfindungen geweckt. Es kann gut sein, daß der Anblick dieser Fangzähne alle anderen im Raum - bis auf mich natürlich - etwas verunsicherte.
Bill beugte sich vor, um mir einen Kuß zu geben - nur einen ganz sanften Kuß auf die Wange - und wandte sich dann zum Gehen. Genau in diesem Augenblick ging der Abend den Bach hinunter.
Malcolm und Diane stürmten das Lokal, wobei sie die Tür so weit aufstießen, daß klar war, sie wollten einen astreinen Bühnenauftritt hinlegen, was ihnen auch prima gelang. Ich fragte mich, wo Liam stecken mochte. Wahrscheinlich parkte er noch den Wagen. Es war wohl zu viel verlangt, zu hoffen, sie hätten ihn zu Hause gelassen.
Die Leute in Bon Temps waren gerade
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