Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes
Er hörte das ehrfürchtige Geflüster allein mit dem Verstand. Er erkannte Rabenjäger, sah den Anspruch auf Macht in der Seele des Bruders.
Er registrierte, wie Rabenjäger, überrascht von der Ausstrahlung seiner Macht, zurückwich. Er ging an ihm vorbei hinunter zu seinem Volk.
»Die Erde ist erneuert«, erklärte er. Die angemessene Erfüllung ihrer Pflicht berauschte ihn. »Ihr habt Sonnenvater eure Dankbarkeit erwiesen. Hoch über euch lächeln die Seelen der Tiere. Glücklich steigen sie auf zum Heiligen Volk der Sterne.«
Eine Schwärze, eine böse Verderbtheit regte sich in der schweigenden Menge. Wolfsträumer rüstete sich dagegen.
»Erscheine, Dunkelheit! Unsere Zeit ist gekommen. Unser Platz ist hier. Der, den du suchtest, steht vor dir.«
Die schwarze Wunde im Körper des Volkes begann zu flackern und die Form zu verändern, bis sich ein freier Raum bildete. Der Raum fing Feuer am Rande des Bewußtseins, und Krähenrufers Gestalt kristallisierte sich heraus.
Wolfsträumer verkrampfte sich. Die Augen, das eine schwarz, das andere weiß, starrten ihn an. Das eine sehend, das andere blind. Gegensätze. Beide eine Lüge.
»Du hast hier nichts zu suchen, ›Zauberer‹«, spöttelte Krähenrufer. »Geh, Junge. Laß uns in Ruhe.
Du störst die Erneuerung. Wir sind deine Spiele und Täuschungen leid. Wir…«
Wolfsträumer trat vor und griff die Dunkelheit mit Händen. Er fühlte das Entsetzen der Dunkelheit, die Verwirrung, die Angst dieser verdorbenen Seele. Wie die saugenden Münder der Seelenesser der Langen Finsternis ergriff ihn die Schwärze und versuchte seine Seele einzukreisen, sie zu ersticken, in die Schatten der Verworfenheit zu ziehen. Wolfsträumer wand sich. Er durchbohrte die Schwärze mit Strahlen des Lichts, zwang sie zurück und drängte die heimtückischen Gefühle hinaus aus seiner Seele, hinaus aus seinem Leben.
Der verdorbene Unflat taumelte zurück und versuchte zu fliehen. Aber er hielt ihn fest, hüllte die formlose Masse in Licht und bot sie Sonnenvater an. In der Helligkeit zitterten und krümmten sich die Schatten. Bevor er das Ding vor sich in den Staub warf, hörte er einen wilden Schrei der Qual.
»Erkenne dich als das, was du bist, Krähenrufer!« rief er mit donnernder Stimme. »Geh! Reinige dich von dem Schmutz und Unrat, von dem du besessen bist. Es ist noch nicht zu spät. Noch kannst du deine Seele retten. Reinige sie für Sonnenvater.«
Die Schwärze schauerte, zuckte zurück und kroch zu seinen Füßen.
»Ich verfluche dich«, kam die Stimme. Haß hämmerte an Wolfsträumers Bewußtsein. Ein übler Gestank stieg ihm in die Nase. Das Schwarze schwenkte die Arme, malte Symbole in die Luft, die Wolfsträumer nicht verstand.
»Ich verdamme deine Seele dazu, begraben zu werden! Ich verdamme sie!« kreischte Krähenrufer gellend.
Die Menschen wichen zurück, als spülten sie die Wellen des Hasses fort.
»In deinem Innern ist nichts«, sagte Wolfsträumers Stimme. »Keine Kraft, keine Macht der Seele. Nur Schwärze und Fäulnis verleihen deinen Worten Kraft.« Während er sprach, öffnete sich Krähenrufers Seele vor seinen Augen. »Ah … ich sehe. Sieh in dich hinein, Krähenrufer. Siehst du die Lügen? Siehst du die Angst? Sieh, was du dir angetan hast. Sieh, was du anderen angetan hast! Sieh in dich hinein!«
»Nein!« widersprach Krähenrufer. Er hatte sich ein wenig gefangen und redete nun mit festerer Stimme. »Ich verdamme dich! Hörst du? Verdamme dich dazu, begraben zu sein deine Seele zu verlieren an die Dunkelheit! Gefangener der Erde zu sein, eingesperrt …«
Wolfsträumer trat näher. Der Traum zeigte ihm den Weg. Krähenrufer hüpfte zurück. Die Schwärze fürchtete zitternd die Entlarvung.
»Sieh in dich hinein«, wiederholte Wolfsträumer. »Du fürchtest nur dich selbst, Krähenrufer. Dein ruhmreichster Tod ist lächerlich. Du hast dich zum Gespött gemacht, siehst du das? Fürchte mich nicht, Krähenrufer. Fürchte dich selbst. Fürchte das, was du aus deiner Seele gemacht hast. Die Lüge, die du lebst, ist die eines Feiglings eines Mann, der sich niemals mit sich selbst auseinandergesetzt hat!«
»Nein!« knurrte Krähenrufer. Seine zwiespältige Seele rieb sich an sich selbst, wurde zunehmend wütend. »Ich verfluche dich, Der im Licht läuft! Verflucht seist du!«
Wolfsträumer richtete sich hoch auf. »Der im Licht läuft gibt es nicht mehr.«
Vor ihm wedelte Krähenrufer mit einem weißen Knochen, den er aus der Luft geholt zu
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