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Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Titel: Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Fellbündel, die Beutel mit Fleisch, die merkwürdigen Fetische an den Wänden, alles hatte sich tief in sein Gedächtnis gegraben. Diese stille, warme Behausung würde Zeuge seiner Schreie werden. Im Feuerschein sah das Zelt harmlos, ja friedlich aus.
    Wie lange noch bis zum Morgen? Wann kamen sie, um ihn zu foltern? Er konnte kaum schlucken.
    Seine Kehle war wie zugeschnürt, und sein Mund fühlte sich trocken an. Würde er ebenso laut schreien wie die Anderen, die er bei lebendigem Leibe verbrannt und zerschnitten hatte? Würde er ebenso erbärmlich kreischen, wenn sie ihm die Knochen brachen? Würde er ebenso schändlich brüllen, wenn sie ihm Penis und Hoden abschnitten? Welchen Laut würde er von sich geben, wenn sie ihm mit einer scharfen Obsidianklinge den Bauch aufschlitzten ? Wie würden sich ihre Hände anfühlen, wenn sie ihm die Eingeweide aus der Bauchhöhle zerrten? Würde er bei Verstand bleiben, wenn sie ihm mit den Fingern die Augäpfel aus den Augenhöhlen rissen?
    Eine Welle des Entsetzens und der Angst rollte über ihn hinweg.
    »Das Leben kann sehr kostbar sein, findest du nicht auch? Besonders wenn das Ende nahe ist.«
    Rabenjägers Kopf fuhr herum. Er sah den hochgewachsenen Träumer, den sie Eisfeuer nannten. Das sollte sein Vater sein? Nein! Unmöglich!
    »Walroß schläft. Der Trunk, den ich ihm gegeben habe, enthielt eine Wurzel von unschätzbarem Wert.
    Es gibt sie nur weit im Westen. Inzwischen ist sie selten geworden, weil immer mehr Menschen dorthin drängen.«
    »Warum?« krächzte Rabenjäger.
    »Damit wir Zeit zum Reden haben.« Eisfeuer hockte sich neben ihn. »Ich möchte dich kennenlernen. Ich möchte wissen, warum du diese Grausamkeiten begehst.« Er legte den Kopf schräg. »Reiher sagte mir, du seist im Blut geboren.«
    »Reiher.« Rabenjäger schloß die Augen. »Die Träumerin.« Seufzend schüttelte er den Kopf. »Ich vermute, Der im Licht läuft kündigte dir mein Kommen an.«
    »Dein Bruder?«
    Rabenjäger nickte kläglich.
    »Nein.«
    »Dann …«
    »Warum bist du gekommen? Nur um mich zu töten?«
    Rabenjäger biß sich auf die Unterlippe. »Sie haben mich ausgelacht. Mich verhöhnt. Ich … ich mußte es ihnen zeigen. Ihnen beweisen, daß Rabenjäger bereit ist zu sterben, wie er gelebt hat. Ungebeugt, als ein Führer, der sich ihres Respekts würdig erweist.«
    »Sieht nicht so aus, als würde die Sache in deinem Sinne ablaufen.« Angelegentlich beschäftigte sich Eisfeuer mit einem seiner langen grauen Zöpfe. »Warum hast du dein Volk gegen uns aufgewiegelt?
    Welchen Vorteil hat dir das gebracht?«
    Rabenjäger lächelte grimmig. »Ich habe Krieger aus ihnen gemacht. Bis Der im Licht läuft sie mir mit seinen Tricks abspenstig gemacht hat, war ich ihr unangefochtener Anführer. Ich führte das Volk!
    Verstehst du? Ich hätte es in altem Glanz wiederauferstehen lassen, stark und mächtig. Wir hätten euch gestellt und euch verjagt. Darauf habe ich mein Wort gegeben. Ich verlieh meinem Volk neue Stärke.«
    Eisfeuer nickte ernst. »Macht.«
    »Natürlich«, schnarrte Rabenjäger. »Was sonst ist von Bedeutung? Respekt? Das ist nur ein anderes Wort für Macht. Frauen? Ein mächtiger Mann hat so viele Frauen, wie er will und seinen Kindern geht es besser als allen anderen. Macht ist Leben! Sie bedeutet Kontrolle über die Umgebung. Und in meinen Visionen sah ich meine Macht! Im Unterschied zu meinem schwachen Bruder und seinen närrischen Träumen von irgendwelchen Löchern im Eis sah ich die Rettung unseres Volkes! Die Rettung!«
    »Warum habt ihr unsere Krieger bei lebendigem Leibe in Stücke geschnitten?«
    Rabenjäger zerrte an den Fesseln. Er preßte die Lippen fest aufeinander. »Weil ich wollte, daß ihr uns mit Herz und Seele fürchtet. Ihr solltet vor mir Angst haben! Darum kam ich auch her. Ich kam, um dich zu töten, dich, ihren bedeutendsten Träumer. Dann würden sie mich sogar im Tod noch fürchten! Dann hätte ich es geschafft!«
    Eisfeuer beugte sich vor. Sein Gesicht war sehr ernst. »Weißt du, was dir in den nächsten vier Tagen bevorsteht? Oder muß ich es dir sagen?«
    Bei dem Gedanken an die gräßlichen Folterungen seiner Gefangenen und daß ihm nun das gleiche bevorstehen würde, verlor er fast den Verstand. »Ich … vermutlich kann ich deinen Leuten noch einige Dinge beibringen, was die Qualen bei einer Folter betrifft. Ja, ich weiß, was sie mit mir vorhaben.«
    Eisfeuer nickte nüchtern. »Das dachte ich mir.« Er machte eine kleine Pause.

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