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Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Titel: Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Unter ihrem durchdringenden Blick schlug Singender Wolf die Augen nieder. Schamröte färbte seine Wangen.
    »Er fühlt sich schuldig.« Gebrochener Zweig machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ein kleines Mädchen ist gestorben, aber alle anderen haben überlebt.«
    Reiher strich sich übers Kinn. »Hat euch Krähenrufer gesagt, Träume kämen ganz von selbst, mit selbstverständlicher Leichtigkeit? Hat er das jemals gesagt?«
    Niemand wagte zu antworten, aber die schuldbewußten Gesichter ringsum sagten ihr genug. »Aber so ist das nicht. Träume brauchen Schmerz und Leid … ja, sogar den Tod. Vergeßt das nie.«
    Sie schüttelte sich, ihr von grauen Strähnen durchzogenes Haar wogte wild um ihre Schultern. »He, Singender Wolf?«
    In seinen Augen spiegelte sich gleichzeitig Entrüstung und Argwohn. »Was?«
    »Du hältst dich sicher für einen Jäger?«
    »Ich bin der beste …«
    »Nein, das bist du ganz und gar nicht. Ich nehme dich einmal auf eine richtige Jagd mit. Eine Traumjagd. Ich rufe die Karibus. Ich kenne den richtigen Platz. Die Karibus hören mich, und sie hören auf mich. Wenn ich sie darum bitte, helfen sie dem Volk.«
    Unsicher ließ Singender Wolf den Blick über die Runde schweifen. »Du meinst, wir müssen uns nicht an sie heranpirschen? Keine Treiber einteilen?«
    »Nein. Der Traum bringt sie her. Jetzt laßt mich in Ruhe.« Sie erhob sich und folgte Wolfsträumer hinaus in die bläuliche Dämmerung.
    Unschlüssig kaute Singender Wolf auf der Unterlippe. Sein Gesicht drückte große Verwirrung aus. Er sah Gebrochener Zweig nach, die plötzlich ebenfalls eilig in die Dunkelheit hinauswatschelte.
    Als sie an ihm vorbeikam, verharrte sie kurz und sah ihn finster an. »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst den Mund halten? War das nötig?«
    Er senkte den Blick.
    Der im Licht läuft vernahm leise Schritte und gab sich Mühe, seine Niedergeschlagenheit zu verbergen. »Ich bin nicht die Zukunft. Ich bin nicht der Richtige.«
    »Nein?« Von Reihers Stimme schien eine besondere Kraft auszugehen.
    »Nein.«
    Sie legte eine Hand auf seine Schulter. »Sag mir noch einmal, was du gesehen hast.«
    »Ich … ich ging mit dem Wolf durch eine Öffnung im Eis. Wir kletterten über Felsen. Auf der anderen Seite breitete sich ein endlos grünes Tal aus. Dort grasten Karibus, Elche, Wapitis, Mammuts und viele Tiere, deren Namen ich nicht kannte. Im Traum erschien mir dieser Mann der Anderen, den du meinen Vater nanntest.«
    »Ich wußte in der ersten Stunde deines Lebens, daß du ein sehr mächtiger Träumer sein wirst.«
    Er schüttelte den Kopf. Am liebsten hätte er geweint. »Ich bin kein Träumer.«
    Der Anflug von Feindseligkeit in ihrer Stimme überraschte ihn. »Wenn du dir das weiterhin einredest, wirst du am Ende recht behalten. Das garantiere ich dir«, zischte sie.
    Erleichtert lauschte Der im Licht läuft ihren sich entfernenden Schritten.
    Eine Zeitlang herrschte völlige Stille, dann dröhnte Gebrochener Zweigs Stimme durch die Dunkelheit. »Was hat sie zu dir gesagt?«
    Im Dunkeln erkannte er schemenhaft ihre Silhouette. »Daß ich ein Träumer bin.«
    »Das ist nichts Neues.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich begreife das alles nicht. Und dann dieser Mann in meinem Traum.«
    »Mann?«
    Er nickte. »Reiher behauptet, Robbenflosse sei nicht mein Vater.«
    »Was hat sie noch gesagt?«
    Ihm entging die Härte in ihrer Stimme nicht. Er bemerkte ihre wachsende Spannung. Unentschlossen biß er sich auf die Zunge. Sollte er es ihr erzählen?
    »Daß meine Mutter vergewaltigt wurde. Daß ich der Erstgeborene bin und in einem Lichtstrahl lag.
    Daß Rabenjäger nach mir geboren wurde; völlig mit Blut besudelt legte man ihn neben mich. Daß eine Rabenfeder herniederfiel und er nach ihr griff.«
    »Haheee«, keuchte sie erschrocken und schlug die Hand vor den Mund. »Ja, genauso war es. Ja, ich war dabei, ich weiß es. Ich selbst biß deine Nabelschnur durch. Wo … wo wurde deine Mutter …«
    »Am Strand, am Salzwasser. Reiher sagt, sie habe Muscheln gesammelt.«
    Gebrochener Zweig sank auf einen Felsen. »Ja, ich kenne dieses Gerücht.« Sie sah hinauf zum aufgehenden Mond. »Ein Traum. Und sie hat dich gesehen?«
    Der im Licht läuft nickte entschieden. »Sie behauptet, ich hätte ihr in die Augen geblickt.«
    »Haheee, ich wußte es. Wolfsträumer. Schon damals warst du etwas … etwas Besonderes.«
    Ärgerlich stapfte er auf und ab. »Ich will aber nichts Besonderes sein! Ich will nichts weiter sein als

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