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Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Titel: Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Ich kann das nicht beurteilen. Meine Tage sind gezählt. Außerdem verdanke ich dir mein Leben. Ohne dich wäre ich erfroren. Solange meine Seele in meinem Körper wohnt, gehört dir ein Teil davon. Aber um ehrlich zu sein, ich bin neugierig, und es freut mich und macht mich glücklich, wenigstens eine Zeitlang immer der Nase nach gehen zu können. Frißt uns ein Bär, so hat es eben sein sollen. Das ist ein ehrenhafter Tod. Wenn ich sterbe, begleiten mich deine Gebete zum Volk der Sterne. Mehr kann ich nicht verlangen.«
    »Ich bin auch zufrieden.«
    Kralles Gesicht wurde sehr ernst. »Du kannst nicht mehr lange so weitermachen, ist dir das klar? Eines Tages nimmt dich irgendein Mann. Ein Kind wächst in deinem Bauch, und du brauchst die Gemeinschaft. Das ist der Fluch der Frauen. Immer kommt irgendein Mann daher, der seinen Schwanz in dich hineinschiebt. Entweder versetzt du sie mit deiner Blutung in Angst und Schrecken, und sie wollen dich nicht um sich haben oder sie spreizen deine Beine und besteigen dich.« Sie schüttelte den Kopf.
    »Solange Rabenjäger mich nicht aufspürt, kümmert mich das nicht weiter«, sagte Tanzende Füchsin leichthin und beobachtete den Sonnenuntergang.
    Kralles Blick schweifte suchend durch die blauen Schatten der Abenddämmerung. »Wo ist bloß dieser Elch?«
    »Da unten.« Tanzende Füchsin deutete auf einige kleine Höhlen am Fuße eines Hügels. Eine breite Blutspur tränkte die kiesige Erde. Sie führte direkt zu einer der Höhlen.
    »Da ist sie«, keuchte Kralle aufgeregt und wies mit ihrem knochigen Zeigefinger auf die Elchkuh.
    Auch Füchsin sah das Tier. Sie sah den langen Kopf, die gesenkten Ohren. Das Kalb stand hilflos daneben. Sein Blick wanderte unentwegt zwischen den Frauen und seiner entkräfteten Mutter hin und her.
    »Ich hatte gehofft, sie wäre schon tot. Wie lange ist es noch einigermaßen hell?«
    »Nicht mehr lange. Aber … warte. Ihr Kopf ist herabgesunken. Warte. Ha! Sie kann ihn nicht mehr heben.« Nach dem langen Marsch zitterten Kralles alte Beine, aber sie setzte sich dennoch in Bewegung und eilte den Hügel hinunter. »Heute abend machen wir uns ein Feuer und essen Leber und Herz, Mädchen. Eine großartige Jägerin bist du geworden! Der im Licht läuft wird vor Freude in die Luft springen, wenn er eine solch tüchtige Frau bekommt.«
    Tanzende Füchsin strahlte vor Glück. Ja, Der im Licht läuft würde stolz auf sie sein. In Verbindung mit ihm erschien ihr der Gedanke an die Umarmung eines Mannes und die Geburt von Kindern nicht unangenehm. Sie sehnte sich nach seinen starken Armen, die sie die langen Winternächte über festhielten und wärmten.

KAPITEL 21
    Deutlich hob sich die Silhouette von Der im Licht läuft auf dem Hügel oberhalb von Reihers Tal gegen den Himmel ab. Sein hüftlanges schwarzes Haar wehte ihm Wind. Er war mit leichten Fuchshäuten bekleidet, und seine Muskeln glänzten im goldenen Licht des Tages eine majestätische Erscheinung. Tief unter ihm wanderte sein Volk auf gewundenen, matschigen Wegen zwischen den tauenden Schneewehen. Wie gleißendes Silber blitzten die herabschießenden Wasserbäche im Schein der schrägstehenden Sonne auf. In Abwehrhaltung kreuzte er die Arme vor der Brust. Er hoffte inständig, der Schmerz werde nachlassen. Sie geben fort. Ich fühle mich wie eine verlassene Muschelschale: leer und nutzlos.
    Gemächlich schlenderte Reiher über den Hügel auf ihn zu und stellte sich neben ihn. Mit der Hand schirmte sie die Augen vor Sonnenvaters blendendem Licht ab. Ihr sauberes Fellkleid roch nach dem Schwefel der heißen Quellen. »Du gehst nicht mit?«
    »Wie könnte ich?« fragte er bitter. »Was würden sie sagen? Der Wolfstraum …«
    »Sie haben überlebt«, erinnerte sie ihn. »Was mich angeht, ich bin froh, daß du bleibst.«
    »Warum?«
    »Weil du noch nicht bereit bist.«
    Überrascht versuchte er, in ihren fröhlich funkelnden Augen zu lesen. »Was willst du damit sagen?«
    »Wir haben einander schon einmal in die Augen gesehen. Vor siebzehn Langen Helligkeiten. Damals schon hast du mich gesucht aus einem einzigen Grund.«
    Sie lächelte, ohne dabei ihre braunen, schadhaften Zähne zu zeigen. »Nein, du kannst dich nicht mehr daran erinnern aber glaub mir, es stimmt.«
    »Ich verstehe nicht…«
    »Ich weiß.« Tief senkte sie ihren Blick in den seinen, als suche sie seine Seele zu ergründen. »Ob es dir bewußt ist oder nicht, Wolfsträumer, du hast dich entschieden. Du wähltest mich, meinen Weg.

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