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Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Titel: Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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nicht. Trägt er aber Verletzungen an den das Gehirn schützenden Schädelknochen davon, wandelt sich sein Denken. Ist die Verletzung sehr schlimm, denkt er überhaupt nicht mehr. Das betrifft alle Lebewesen. Schlag einem Karibu den Kopf ein, und es stirbt. Sein Bewußtsein ist sofort ausgeschaltet.« »Vermutlich.«
    »Du sollst nicht vermuten«, herrschte sie ihn an. »Du sollst wissen. Lernen. Dir eigene Gedanken machen. Glaub nicht alles, was dein Volk dir erzählt hat. Frage!«
    Gebrochener Zweig nahm eine drohende Haltung an. »Willst du damit sagen, ich hätte mit Sonnenvater und dem Sternenstaub die Unwahrheit gesagt?«
    Reiher blinzelte verwirrt, als hätte sie noch nie einen Gedanken an diese Überlieferung verschwendet. »Nein. Das gehört zu den wenigen Dingen, bei denen du immer recht gehabt hast.«
    »Du alte Hexe. Ich sollte dich …«
    »Woher weißt du das alles?« fiel ihr Wolfsträumer ins Wort. Seine innere Angst wuchs ständig. Was tat er hier? Wenn er Reihers Lehren übernahm und sich danach richtete, verlor er vollständig den Kontakt zu der Welt, die er liebte. »Warum wissen das nicht alle?«
    Reiher lachte leise und blickte zu Gebrochener Zweig hinüber. Achselzuckend sagte sie: »In den Lagern des Volkes hat niemand Zeit. Häute müssen gegerbt, Fleisch muß erjagt, Moose und Flechten müssen gesammelt werden. Kinder brauchen ständig jemanden, der sich um sie kümmert, sonst streiten sie oder verletzen sich beim Spielen.
    Aber ein Träumer braucht einen freien Kopf. Er muß denken und fühlen können, ohne sich Sorgen zu machen, wer mit wem zankt. Ohne von irgendeinem albernen Unsinn gestört oder unterbrochen zu werden.«
    Sie rieb ihre Nase. »Bevor das Volk hier war, konntest du an diesem Ort hören und fühlen, die Welt hüllte dich ein. Das Land atmet. Die Tiere folgen ihren vorbestimmten Wegen. Jahreszeiten sind Kreisläufe. Alles dreht sich im Kreis. Alles ist untrennbar miteinander verbunden. Das Gras wächst, wo der Kot des Mammuts fällt. Der Wind trägt den Samen über das Land und verteilt ihn. Das Mammut frißt Gras und erzeugt wiederum Dung.
    Die Leute wissen das zwar, haben aber überhaupt keine Ahnung, was das bedeutet. Aber wer kann schon an das Eine Leben denken, wenn drei Kinder nach Essen schreien und ein anderer im Zelt Witze erzählt?«
    »Zum Träumen braucht es also nur das Alleinsein?« fragte er skeptisch. Das klang ihm zu einfach.
    Lachend warf sie den Kopf in den Nacken. »Alles, was du tun mußt, ist, dich selbst befreien.«
    »Und wie soll ich das machen?«
    Sie grinste überheblich. »Zuerst mußt du gehen lernen.«
    »Gehen?« wiederholte er verblüfft.
    »Ja, sicher. Anschließend lernst du tanzen.«
    »Tanzen?«
    »Ahhah. Dann lernst du, den Tanz anzuhalten und einen Blick auf den Tänzer zu werfen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Wovon in aller Welt sprichst du eigentlich?«
    »Vom Einen Leben. Alles ist ein Großer Tanz, und du mußt die Bewegungen fühlen, wenn du sie verstehen willst.«
    »Du glaubst, ich könnte bis heute noch nicht gehen?« Sie schnüffelte leise. »Wolfsträumer, du kannst noch nicht einmal kriechen.«
    Er rollte den Saum seines Mantels zusammen und verkrallte die Finger darin.
    »Und du willst mir all das beibringen?«
    »Bist du bereit zu lernen?«
    Eine ungewohnte Trockenheit stieg aus seiner Kehle auf und dörrte seinen Mund aus. Bin ich das?
    »Ja.«
    »Dann komm mit.« Sie stand auf. Bei dieser Anstrengung krachten ihre Gelenke. Mit einer energischen Handbewegung schlug sie die Felle am Eingang zur Seite.
    Bevor er hinausging, fiel sein Blick noch einmal auf den Bärenschädel, dessen leere Augenhöhlen ihn aus dem Dunkeln anstarrten. Entschlossen ballte er die Fäuste. Er würde lernen.
    Sie führte ihn über den Hügelkamm zu einem Platz hoch über den heißen Quellen. Tief unten spritzte und sprudelte das Wasser, zischend berührte es die Felsen. Unter dem sternenübersäten Nachthimmel breitete sie eine Decke auf einem großen Stein aus. »Setz dich. Bleib hier, bis ich dich abhole. Deine einzige Aufgabe ist es, einen freien Kopf zu bekommen. Entdecke die Stille hinter allen Geräuschen.«
    Ungläubig blickte er sich um. »Hier herrscht keine Stille. Ununterbrochen hört man die verschiedensten Geräusche und Laute.«
    Im bleichen Licht der Sterne sah er ihr lückenhaftes Gebiß aufblitzen. Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah hinüber zu den steilen Hängen der weit entfernten Gipfel. »Du glaubst, dort wäre eine

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