Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes
Wolfsfleisch gegessen. Sie glaubte an den Traum aber sie folgte ihm. Eine Frau darf nicht…«
»Mit einem anderen Mann davonlaufen«, vollendete sie seinen Satz. »Trotzdem hätte sie es tun können.«
»Das hätte ihr Unehre eingebracht. Sie würde nie …«
»Ich glaube eher, sie fürchtet Krähenrufer. Jedenfalls das, was er ihr antun kann.« Sie schüttelte das Wasser aus ihrem Haar. Sein Gesichtsausdruck bereitete ihr Sorgen. »Was sehe ich da in deinen Augen? Eine unglückliche Liebe?«
»Schweig«, warnte er sie. Der Schmerz über den Verlust der geliebten Frau raubte ihm den Atem.
Sie nickte und lenkte ein. »Ich wollte dich nicht quälen. Ihre Liebe ist deine Last.«
»Last?« wiederholte er verständnislos. »Eher Trost.«
»Bald wirst du das anders sehen, glaube mir.«
»Hast du dich nie nach einem Mann gesehnt? Hast du deinen Bärenjäger nicht geliebt?« Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, bereute er sie auch schon.
Scheinbar teilnahmslos betrachtete sie ihn. Sie schwieg lange. »Doch. Ich hätte alles für ihn hingegeben. Ich spielte sogar mit dem Gedanken, Gebrochener Zweig umzubringen, nachdem sie sich hinterlistig unter seine Decken geschmeichelt hatte.«
»Warum bist du nie zurückgegangen? So hübsch wie du bist, hätte dich jeder andere Mann gerne genommen.«
Seufzend schüttelte sie den Kopf. »Nein, für mich gab es keinen Mann.« Sie blickte hinauf zum Himmel. »Wolfsträumer, eines mußt du wissen. Träume wirkliche Träume lassen keinen Platz für eine Ehe. Leben ein Mann und eine Frau zusammen, beansprucht jeder einen Teil des anderen. Die Probleme des einen werden zu denen des anderen. Aus dem Geschlechtsakt entstehen Kinder, die ganze Aufmerksamkeit erfordern und sie haben Anspruch darauf. Es ist anstrengend, aus einem Kind ein menschliches Wesen zu machen. Kinder haben kein Zeitgefühl, sie fordern jetzt Aufmerksamkeit.
Du kannst keinen Traum haben, wenn dein Kind hungrig ist oder eine wichtige Frage an dich stellt oder sich an einem Steinsplitter geschnitten hat.«
»Bist du deshalb noch hier? Nach all den langen Jahren?«
»Ja, darum. Kein Mann, keine Versuchung. Es gibt nur mich, meine Gedanken und Träume. Ich fällte diese Entscheidung, als Bärenjäger sich Gebrochener Zweig zuwandte.« Ein müdes Lächeln umspielte ihren Mund. »Damals war ich jung und sehr verletzt. Ich wollte ihn nicht mehr sehen und sie auch nicht.« »Aber jetzt ist sie hier.« Reiher reckte den Kopf. »Seitdem ist viel Zeit vergangen. Er ist seit vielen Langen Finsternissen tot. Wir haben uns beide verändert, Gebrochener Zweig und ich. Und sie hat mir einen anderen Mann mitgebracht. Einen sehr viel wichtigeren Mann, als ein Liebhaber es je sein könnte.
Oh, ich könnte von Zufall reden, aber wenn ich lange genug darüber nachdenke, stelle ich fest, daß hinter allem ein tieferer Sinn steckt. Vielleicht hast du mich gerufen sogar damals schon.«
Nachdenklich setzte er sich neben sie. »Bist du sicher, daß du damals mich in deinem Traum gesehen hast?«
Ihre Augen sprachen deutlicher als Worte. Sie zweifelte nicht daran.
»Aber warum hast du gerade mich gesehen?«
Sie holte tief Luft. »Ich weiß nicht genau, warum, aber du bist für dein Volk in irgendeiner Weise wichtig. Vielleicht müssen alle sterben, wenn du den Durchgang durch das Eis nicht findest.«
Eine Welle der Angst schlug über ihm zusammen. Unsicher tastete seine Hand über die rauhe Oberfläche des Felsens. »Was soll ich machen wegen Tanzende Füchsin? Tag für Tag drängt sie sich mehr und mehr in meine Gedanken. Ich kann mich nicht konzentrieren.«
»Das ist deine Entscheidung, Wolfsträumer.« Ihre braunen Augen blieben ausdruckslos. »Die Gaben, über die du verfügst, sind sehr mächtig. Du hast dich verändert. Du bist nicht mehr der Mann, den sie gekannt hat. Du hast dich so schnell in einen anderen Menschen verwandelt, daß sie dich kaum wiedererkennen wird. Ob sie dafür Verständnis aufbringt? Entscheidender ist allerdings, ob du wieder der Mann werden möchtest, der du vor deinen Träumen warst.«
»Sag du es mir. Du bist den Weg gegangen.«
»Ich kann diese Fragen nicht für dich beantworten. Ich kann dir nur eines sagen. Mit Träumen ist es ähnlich wie mit dem Essen einer Zauberpflanze. Wer einmal damit angefangen hat, bekommt nie genug davon. Es erfüllt dich ganz, treibt dich, leitet dich.«
»Unablässig? Bleibt denn keine Zeit mehr für …«
»Unablässig.«
Stirnrunzelnd verfolgte er den Weg der
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