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Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Titel: Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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wirbelnden Dampfschwaden. »Das ist ein hoher Preis.«
    »Ein schrecklicher Preis.«
    Er stützte das Kinn in die Hand und sah ihr lange in die Augen. Feuchte Strähnen ihres silberdurchwirkten Haares hingen über ihre Brüste. Ein grimmiges Lächeln kräuselte ihre Lippen. »Ist die Rettung des Volkes diesen Preis wert?«

KAPITEL 27
    Die Zwergbirken und Weiden reckten ihre Äste durch den Dunst der heißen Quellen zum türkisfarbenen Himmel hinauf. Die gelbgrünen Krusten auf den Steinen am Teichufer funkelten im goldenen Sonnenlicht.
    Wolfsträumer schüttelte das vom Dampf feuchte lange Haar, das ihm in Ringeln auf der Stirn klebte.
    Sein ovales Gesicht glänzte schweißnaß.
    Er beobachtete Gebrochener Zweig, die mit einem handgroßen Stein getrocknete Backenhörnchen zu Brei zerstampfte. Unter das Fleisch mischte sie zerdrückte Beeren. Diese Masse stopfte sie in einen Karibudarm. Sobald sie eine Handvoll davon in den Darm gesteckt hatte, goß sie heißes Fett nach. Mit einem Stock drückte sie soviel von der klumpigen Masse hinein, bis der Darm zum Bersten voll war.
    In Gedanken versunken erinnerte er sich an die letzte Jagd. Sie hatten wieder die Karibus gerufen.
    Dabei hatte er die Eine Stimme zu hören geglaubt, die Stimme, die alle Lebewesen teilten. Er hatte einen einzigen Atem vernommen. Oder hatte er sich das nur eingebildet? Hinter ihm knirschten Reihers Schritte im Kies. Lächelnd wandte er sich um.
    »Komm«, sagte sie und wies mit einer Kopfbewegung hinüber zu ihrer Höhle.
    Er folgte ihr. Aus der blendenden Helligkeit in die dunkle Höhle kommend, verlor er kurz die Orientierung. Sie warf ihm ein prächtig gegerbtes Fell zu. Trotz der Dunkelheit fing er es auf.
    »Die Fliegen sind verschwunden. Der Frost hat sie in ihre Verstecke zurückgetrieben. Wie viele Tage hast du nichts mehr gegessen?«
    »Drei.«
    »Dann geh hinauf. Mindestens einen Tagesmarsch von hier. Denk an den Tanz. Träume.«
    Er schritt zum Ausgang, blieb stehen und drehte sich noch einmal um. »Dieses Mal habe ich die Karibus gerufen, nicht wahr?«
    Aufmerksam musterte sie ihn. »Ich habe nichts gemacht. Du riefst; s'e kamen. Wir haben genug getötet für den ganzen Winter. Das Fett und das Fleisch reichen für die lebensnotwendigen Kräfte in der kalten Zeit.«
    »Ich dachte …« Er zögerte. Auf keinen Fall wollte er eine möglicherweise falsche Wahrnehmung offenbaren.
    »Was?«
    »Einen Augenblick dachte ich, ich hätte den Atem des Einen gehört.«
    »Wie hat es sich angehört?«
    »Es war kein Geräusch nicht wirklich.«
    Ihr Mund verzog sich zu einem seltsamen Lächeln. »Wenn das so ist, hast du ihn vielleicht gehört.
    Gibt es diese Eine ›Stimme‹, die wir mit den Tieren teilen, die tiefer in unsere Seele dringt als die Geräusche der Natur, die wir glauben, rings um uns zu hören ?« Ihr Blick verschleierte sich, sie gab ihm ein Zeichen zu gehen. »Träume. Lausche der Stimme.«
    Beklommen trat er hinaus ins Licht. Er wandte sich nach Westen. Immer wieder machte sie das. Stets ließ sie ihn im Ungewissen, ob er etwas wirklich wahrnahm oder sich nur einbildete. Waren die Tiere seinem Ruf gefolgt? Gab es tatsächlich Eine Stimme für das Eine Leben? Oder waren die Tiere nur zufällig in seine Falle gegangen? Was war Wirklichkeit, was Phantasie?
    In diesem Jahr waren die Behausungen nur notdürftig geflickt worden. Sie wirkten heruntergekommen und schäbig. Langsam ging Tanzende Füchsin den Hang hinunter. Kralle humpelte müde hinter ihr her. Die alte Frau war nicht mehr so widerstandsfähig wie früher. In den entsetzlichen Hungertagen war ein Teil ihrer Seele verkümmert. Sie hinkte daher wie eine alte Vogelscheuche in zerlumptem Fell.
    Vor ihnen schmiegte sich das weitläufige Lager an den Rand der sumpfigen Ebene. Am nördlichen Horizont breitete sich die Tundra aus, die von hier nur als grüner Dunstschleier erkennbar war. Die Fliegen und Stechmücken waren eine entsetzliche Plage. Im Osten rauschte der Große Fluß. Sein über die Ufer tretendes Hochwasser hatte moorige Zonen geschaffen. Im Süden erhob sich vor dem Horizont die undeutliche Masse der zerklüfteten grauen Hügel, im Westen verschmelzend mit den Zackenzähnen der Gebirgsgletscher.
    Von den Zelten stieg blauer Rauch hinauf zum Himmel. Der Geruch nach gekochtem Fleisch, nassen Hunden und Abfällen lag in der Luft. Neben einem Zelt stand ein Gestell, an dem Fische zum Trocknen aufgehängt waren; ein kleiner, mit einem Stock bewaffneter Junge bewachte

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