Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
Stimme schnitt ihm in die Seele. Sie trat auf ihn zu, ergriff seine Hände und drückte sie an ihre Brust. »Was ist los? Wer sind diese Leute?«
Mit schwankender Stimme antwortete er: »Das ist Weiße Esche.«
Espes Augen weiteten sich unnatürlich. Sie suchte nach einem Zeichen der Liebe in seinem Blick, erwartete ein beruhigendes Wort. Doch Windläufers Seele schien sich in Holz verwandelt zu haben, gefühllos und unempfindlich. Schweigend sah er sie an, und ihr dämmerte die schreckliche Wahrheit.
Aus glasigen Augen starrte sie ihn an und ließ seine Hände los.
Espe wandte sich an Weiße Esche, sie konnte kaum die Fassung bewahren. »Willkommen beim Schwarzspitzen-Stamm.« Mit diesen Worten drehte sie sich rasch um und drängte sich zwischen den gaffenden Zuschauern durch.
Windläufer schloß die Augen. In seinen Eingeweiden tobte Übelkeit. Was war aus seinem Leben geworden? Espes gequälter Blick hatte einen Teil seiner Seele versengt. Der Tag schien jegliche Farbe verloren zu haben.
Nun löste sich Salbeigeist aus der Menge und trat, die Arme halb erhoben, zögernd näher. »Weiße Esche?«
»Oh, Vater.« Sie lief auf ihn zu und umarmte ihn. »Du hast mir so sehr gefehlt.«
In die Wiedersehensfreude donnerte Schwarzer Monds Stimme: »Bist du die Frau, die die Tiere ruft?«
Vollkommen verwirrt beobachtete Windläufer, wie sich Weiße Esche aus Salbeigeists Umarmung befreite und gemessenen Schrittes auf den Stammesanführer zuging.
Ja, ich rufe die Tiere. Du bist Schwarzer Mond? Ich bin Weiße Esche vom Weißlehm-Stamm.« Sie zeigte auf Salbeigeist. »Dieser Mann ist mein Vater. Aufgrund des Verwandtschaftsgrades fordern mein Mann und ich den uns gebührenden Platz bei deinem Stamm.«
Schwarzer Mond schüttelte langsam den Kopf. »Dieser Mann, Salbeigeist, ist ein Weißlehm-Mann. Er gehört nicht unserem Stamm an.«
Sie drehte sich um. Windläufer öffnete den Mund und schüttelte entschieden den Kopf. Das nicht! Das kann sie nicht tun! Nicht nach allem, was ich…
Weiße Esches Worte trafen ihn wie ein Hammerschlag. »Dann begründen mein Mann und ich unsere Forderung damit, daß dieser Mann, Windläufer, mein Cousin ist. Er sagte mir, er sei ein Schwarzspitzen-Krieger.«
»Nein«, flüsterte Windläufer und taumelte auf sie zu. »Was tust du? Du weißt, warum ich mich dem Schwarzspitzen-Stamm angeschlossen habe!« Er erstickte fast an diesen Worten und streckte flehend die Arme nach ihr aus.
»Ist sie deine Cousine?« fragte Schwarzer Mond streng. »Wenn sie Salbeigeists Tochter ist und dieser dein Onkel, dann muß sie deine Cousine sein.
»Weiße Esche!« flehte Windläufer. »Warum tust du das?«
Mit warmen Fingern strich sie ihm über das Gesicht. »Weil ich träumen muß, Windläufer. Sonst verändert sich die Spirale. Tapferer Mann wird siegen, wenn ich ihm nicht entgegentrete.«
Seine Kiefermuskeln bebten unter ihrer Berührung.
»Verleugnest du sie?« fragte Schwarzer Mond.
Windläufer war wie gelähmt, fieberhaft versuchte er nachzudenken. In das Schweigen hinein sagte Salbeigeist: »Schwarzer Mond? Hört der Stamm auf Salbeigeists Rat?«
Schwarzer Mond nickte. »Deine Stimme zählt bei uns.«
Salbeigeist stemmte die Hände in die Hüften und hob stolz das Kinn. »Ich sehe Weiße Esche an und sehe eine Frau vor mir, die ich fast nicht wiedererkenne. Vor vielen Jahren führte mich eine Macht in den Süden, und ich raubte Weiße Esche vom Erdvolk. Schon früh sah ich eine Macht in ihr. Sie liegt in ihren Augen. Heute morgen legten wir den Körper unseres Seelenfliegers an einen hochgelegenen Ort und sangen seine Seele in den Himmel zum Großen Donnervogel.«
Nachdenklich musterte Salbeigeist die Anwesenden. »Ich kenne die Wege der Mächte nicht aber uns wurde ein Seelenflieger genommen, und ein anderer ist gekommen. Wir alle hörten Schneckenhaus, dessen Wort wir vertrauen. Weiße Esche und ihr Mann riefen die Tiere. Ich glaube, der Schwarzspitzen-Stamm sollte dem Wunsch meiner Tochter entsprechen.« Salbeigeist warf Windläufer einen entschuldigenden Blick zu und setzte hinzu: »Ich habe gesprochen.«
»Windläufer?« fragte Schwarzer Mond.
Windläufer fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Verzweifelt kämpfte er darum, die richtige Entscheidung zu treffen. Er wandte sich an Weiße Esche und starrte ihr forschend in die strahlenden Augen. »Du willst nicht… meine Frau werden?«
Sanft legte sie ihm die Hände auf die Schultern. »Windläufer, ich kann nicht.
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